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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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hielt, unter 44 Männern nur sechs Frauen? Leisten Frauen weniger als Männer? Oder sind sie einfach nicht erwünscht, weil die Männer der Schöpfung alles Reizvolle in den eigenen Reihen verteilen, die attraktivsten Pöstchen ebenso wie die attraktivsten Callgirls?
    In etlichen Irrenhäusern kommen Frauen in der (oberen) Chefetage nicht vor. Sie dürfen Dokumente abtippen, Kopien anfertigen und, sofern sie mindestens studiert haben, als fleißige Bienchen für ihren Abteilungsleiter durch die Firma summen. Heimlich werden sie vom Direktor als Dienerinnen gesehen, die seine Wünsche zu erfüllen, seinen Kaffee zu kochen und das Denken ihm zu überlassen haben.
    Aber was passiert, wenn Frauen in Führungspositionen streben? Wenn sie ihrem Vorgesetzten mit guten Argumenten widersprechen? Wenn sie die Richtung vorgeben wollen? Dann gelten sie schnell als »Zicke«, als »krankhaft ehrgeizig«, und hinter vorgehaltener Hand heißt es: »Die hat wohl ihre Tage!«
    Solche Irrenhäuser ignorieren, dass Frauen ihr Studium mittlerweile besser als Männer abschließen – und dass große Firmen mit einem hohen Anteil von Frauen im Management eine Eigenkapitalrendite aufweisen, die den Durchschnitt der typischen Männerwirtschaft weit übertrifft: in den USA um 53 Prozent, in Europa um 48 Prozent. 19
    Derselbe Sexismus, der sich bei Incentive-Reisen austobt, spielt unterschwellig bei Personalentscheidungen mit. Eine Frau kann sich nie sicher sein, ob sie wirklich an ihrer Leistung gemessen wird – oder doch an ihrem Brustumfang. Schon auffällig, dass viele Top-Manager in ihrem Vorzimmer Assistentinnen präsentieren, die als Top-Models durchgingen. Und überall hört man noch Macho-Sprüche wie diesen, den ein Chef von sich gab, nachdem er die Sekretärinnen einer ausländischen Niederlassung begutachtet hatte: »Andere Länder, andere Titten!« 20
    5. Hierarchie gilt bis in den Puff
    Wer der Meinung ist, im Puff seien alle Männer gleich, kennt das Hierarchiedenken der deutschen Unternehmen schlecht. Bei der Budapest-Reise der Hamburg-Mannheimer waren die attraktivsten Frauen – jene mit dem weißen Armband – zwei Gruppen vorbehalten: den fünf Verkäufern mit den besten Absatzzahlen. Und den Vorgesetzten, eben weil sie die Vorgesetzten waren.
    Dasselbe gilt im Alltag: Die Chefs sehen sich nicht auf einer ­Augenhöhe mit ihren Mitarbeitern, sie blicken auf sie herab. Sie fahren das größere Auto, kassieren das höhere Gehalt, sitzen im größeren Büro und machen sich über die schöneren Frauen her – als wären sie qua Amt die besseren, schlaueren, wertvolleren Men­ schen.
    Dieses Denken führt zum Prinzip von Befehl und Gehorsam. So konnte Hannibal sein Heer führen. Eine moderne Firma aber lebt vom Wissen ihrer Mitarbeiter, vom Diskurs zwischen Mitarbeitern und Managern. Wenn ein Chef sich selbst die wichtigen Entscheidungen und Aufgaben als »Chefsache« (mit weißem Bändchen) reserviert, während er die Nebensächlichkeiten (mit rotem Bändchen) seinen Mitarbeitern überlässt, dann verkümmern die Potentiale seiner Belegschaft. Dann bekommt er keine Rückmeldungen mehr. Dann fliehen die guten Mitarbeiter, die schlechten bleiben – und der Markt überrollt das Irrenhaus bald.
    6. Der Mensch gilt als Ware
    Wenn die Ergo die Prostituierten mit Armbändern in Schönheitsklassen einteilt, wenn sie die Callgirls nach jedem Kontakt mit einem Mann wie Vieh abstempelt, dann lässt das auf ein verheerendes Menschenbild schließen. Haben sich die Vertreter eigentlich gefragt, warum die Firma sie selbst anders als die Prostituierten sehen und behandeln sollte? Sind nicht auch die Mitarbeiter in Klassen eingeteilt, schon dadurch, dass nur wenige von ihnen an dieser Incentive-Reise teilnehmen durften? Und entspricht nicht jeder Abschluss, den ein Vertreter tätigt, dem Stempel auf dem Arm der Prostituierten – eben einer Abrechnungsgrundlage?
    Für solche Irrenhäuser ist der Mitarbeiter kein Individuum, das Respekt und Würde verdient, sondern ein austauschbares Mittel zum Zweck: Arbeits-Callboy, Kunden-Anschaffer, Umsatz-Maschine. Wer zu wenige Stempel auf dem Arm hat, mit dem will die Firma nichts mehr am Hut haben.
    Immer wieder beobachte ich: Was ein Unternehmen nach außen an Schindluder treibt, treibt es auch nach

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