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Ich arbeite in einem Irrenhaus

Ich arbeite in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite in einem Irrenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Irrenhäusern. Zum Beispiel gehen immer mehr Firmen dazu über, ein ärztliches Attest schon am ersten Krankheitstag zu fordern. Oder sie schreiben bei Krankmeldungen vor, der Mitarbeiter habe persönlich seinen Vorgesetzten anzurufen. Diese Schikanen sollen die Insassen von dem abhalten, was als ihr Lieblingshobby gilt: vom Krankfeiern.
    Die Irrenhäuser zeigen damit nur, dass sie ihre Mitarbeiter schlecht kennen. Eine große Umfrage, der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung, deckt die Wahrheit auf: Sieben von zehn Mitarbeitern schleppen sich im Jahr mindestens einmal zur Arbeit, obwohl sie sich krank fühlen. Und jeder Dritte tauchte am Arbeitsplatz auf, obwohl ihm sein Arzt davon abgeraten hat. 55 Offenbar gefährden die Mitarbeiter lieber ihre Gesundheit als ihren Arbeitsplatz, gerade in Krisenzeiten.
    Der Krankenstand in Deutschland lag im ersten Quartal 2010 nur einen Hauch über dem historischen Tief; seit dem Jahr 2000 ist er um rund 20 Prozent gesunken. 56 Wenn die Kurve weiter so verläuft, sind die Krankheiten in wenigen Jahrzehnten ausgestorben, die Arztpraxen können dichtmachen, und ewige Gesundheit herrscht unter den Arbeitnehmern.
    Oder auch nicht. Denn wenn Menschen, die ins Krankenbett gehören, doch zur Arbeit gehen, sind die Folgen für die Firmen fatal. Eine amerikanische Studie kommt zu einem spektakulären Ergebnis: Kranke bei der Arbeit kommen ein Unternehmen 750 Prozent (!) teurer zu stehen, als wenn sie zu Hause blieben. 57 Weil die Qualität der Arbeit leidet. Weil der Fehlerteufel zuschlägt. Und weil die Krankheiten sich rasend über die ganze Firma ausbreiten.
    Das sollte der Irrenhaus-Direktor des Sportartikel-Vertreibers einmal nachrechnen – sofern er nicht gerade mit einem Virus im Krankenbett liegt.
    Betr.: Wie mein Chef, ein Betriebswirt, zum Oberarzt wurde
    Eines Tages ließ unser Management seine »lieben Mitarbeiter« per Hausmitteilung wissen, dass man die Informationspolitik der Abteilungen verbessern wolle, auch gegenüber kranken Mitarbeitern nach ihrer Rückkehr. Daraus leitete sich eine Maßnahme ab: das »Rückkehrer-Gespräch«.
    Ein paar Monate später kam ich nach zweiwöchiger Krankheit in den Genuss eines solchen Termins. Ich dachte, mein Vorgesetzter würde mich darüber informieren, was in meiner Abwesenheit passiert sei. Umso verblüffter war ich, als er mich mit Fragen nach meiner Krankheit löcherte: »Was genau hat Ihnen eigentlich gefehlt?«, »Seit wann ging es aufwärts?«, »Wie fühlen Sie sich im Moment?«
    Eigentlich war das meine Privatsache. Aber er blieb hartnäckig: »Schließlich muss ich als Vorgesetzter wissen, inwieweit ich wieder mit Ihnen planen kann.« Unter diesem Druck rückte ich mit Details zu meinem Leiden heraus, einer rheumatischen Erkrankung. Darauf redete er mir ins Gewissen, besser auf meine Gesundheit zu achten. Zwischen den Zeilen kam bei mir an: »Erlaub dir bloß keine weitere Krankschreibung – sonst gibt’s Zoff.«
    Dieser Psychoterror, den auch mehrere Kollegen erdulden mussten, hatte sich dreist als Fürsorge, als Hilfe für den Wiedereinstieg getarnt. Tatsächlich habe ich mich danach mehrfach krank in die Firma geschleppt. Eine solche Demütigung wollte ich kein zweites Mal erleben.
    Patricia Behr, Industriekauffrau
    §41 Irrenhaus-Ordnung: Ein Mitarbeiter gilt so lange als kerngesund, wie er ohne Infusion an den Arbeitsplatz kommen und die Firma ohne Sarg verlassen kann.

 
    TEIL ZWEI
    Raus aus der Anstalt!

1.
    Der große Irrenhaus-Test

    Die genauen Zuständigkeitsbereiche im
Vorstand sind noch nicht geklärt …
     
    G eht’s noch? Oder sitzt die Schraube Ihrer Firma schon allzu locker? Die Einschätzung, zu der Sie kommen, sagt auch viel über Ihre Maßstäbe aus. Hier erfahren Sie …
     
    • warum Ihre Werte entscheiden, was Sie für Irrsinn halten,
    • inwieweit der Wahn Ihrer Firma schon auf Sie abgefärbt hat,
    • warum ein Pinguin in der Wüste nicht glücklich werden kann
    • und welche Noten Ihre Firma im »Großen Irrenhaus-Test« bekommt, allgemein und im Detail.
    Erforschen Sie, was Sie
verrückt macht
    Der Projektingenieur schleicht in die Karriereberatung, als hätte er Blei in den Schuhen. Seine Schultern hängen tief, sein Blick ist erloschen. Und Augenringe wie Bierdeckel überschatten sein Gesicht. Wer ihn so zugerichtet hat, daran lässt er keinen Zweifel: seine Firma.
    »Unser Laden ist völlig durchgeknallt!«, mosert er. »Mein Chef reißt seinen Mund auf und sagt den Kunden

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