Ich beantrage Todesstrafe
geschickten Hinfallen aus dem Schulterhalfter gezogen hatte.
O ihr Hunde, dachte er. Ihr erbärmlichen Hunde! Für euch habe ich einen Menschen umgebracht. Ihr habt mich zum Mörder gemacht.
Langsam schob er die Hand unter seiner Brust nach vorn. Er sah zu Pohlschläger und zu Olga hinüber, die den Morgenmantel abwarf und begann, ihre lindgrüne Perlonwäsche anzuziehen. Dicaccio biß sich auf die Lippen. Noch einmal überflog sein Blick die üppige Gestalt …
Dann schoß er. Schnell, sicher, unter dem linken Arm hindurch nach oben. Pohlschläger warf die Arme hoch und stürzte über dem Tisch zusammen. Mit weiten, ungläubigen Augen starrte ihn Olga an … mit Augen, wie sie der Kassierer und der Annahmebeamte hatten, als Pohlschläger in die Bank stürmte und in diese weißen Gesichter hineinschoß.
Dicaccio schoß noch einmal und hörte, wie Olga aufstöhnte. Dann fiel sie mit einem dumpfen Laut zu Boden.
Dicaccio erhob sich. Er ging zur Gardine, wischte sich das Blut von Gesicht und Händen und verließ die Wohnung. Er ging, wie er gekommen war, ruhig und mit gleitenden Schritten zur nächsten Telefonzelle und rief die Nummer der Polizei an.
Seine Stimme war müde. Mit den letzten Schüssen hatte er seine Welt, seine Hoffnung, sein Leben zerstört. Er hatte keine Illusionen mehr.
»Hier Dicaccio«, sagte er. »Joe Dicaccio. Ich habe die Bank in Wiesbaden überfallen. Ich habe den Polizisten erschossen. Und ich habe vor fünf Minuten auch den Chef unserer Bande erschossen. Fritz Pohlschläger. Und seine Geliebte. Olga Katinsky. Die anderen heißen Franz Heidrich und Hans Wollenczy. Ich rufe von einer öffentlichen Fernsprechzelle an. Jetzt wissen Sie alles.«
Er hängte ein und verließ das Telefonhäuschen.
Die große Suche, die große Hatz begann … Wenn sie ihn auslieferten, schlossen sich die Stahlklammern des elektrischen Stuhls um seine Hand- und Fußgelenke, drückte der Stahlring um seinen Kopf und jagten die Stromstöße durch seinen Körper, bis er zusammensank und das Herz flatternd verlöschte.
Mit vierzigtausend Mark in der Tasche fuhr Dicaccio in einem Omnibus hinaus aus der Stadt, den Wäldern am Main entgegen.
Er sah aus dem Fenster des Omnibusses und starrte den Telefondrähten nach, die sich hoben und senkten, hoben und senkten …
Die Mühlen der deutschen Justiz hatten zu mahlen begonnen. Sie taten es gründlich. Sie zermahlten zuerst John Pattis zu Schrot.
Den haben wir, sagten sich die Kriminalbeamten. Er ist zwar nicht der Täter, aber immerhin Amerikaner wie der Täter. Er hat mit dem Mörder gesprochen. Seine Angaben stimmen … Joe Dicaccio hat sich am Telefon vorgestellt, alles zugegeben und ist jetzt flüchtig. Die Sache mit dem Alkohol muß erst nachgeprüft werden. Sachverständige müssen die Frage klären, ob ein Mensch infolge eines Schocks, wie ihn Pattis nach den Mitteilungen Dicaccios bekommen haben will, wirklich außerstande ist, klare Entschlüsse zu fassen.
Gegen John Pattis wurde Haftbefehl erlassen. Er bekam eine geräumige Zelle, durfte sich – falls er Appetit und Geld genug hatte – das beste Essen aus dem ersten Restaurant kommen lassen. Er durfte lesen, schreiben, singen, er durfte alles. Nur nach Hause gehen durfte er nicht.
Am nächsten Nachmittag, als Dr. Hellmig nach einem Anruf erfuhr, daß der Haftrichter endgültig Haftbefehl erlassen hatte, besuchte Sylvia Hellmig John Pattis.
Als sie das Sprechzimmer betrat, stand Pattis unter dem vergitterten Fenster und lehnte sich gegen die Wand.
»So sehen wir uns wieder, Mr. Pattis«, sagte Sylvia. »Ich dachte vorgestern, daß Sie bald wieder einmal zu uns kommen würden, um weiter vom Bau der Alaskastraße zu berichten.« Sie setzte sich auf den Schemel vor dem einfachen Holztisch. John Pattis hob die Hände.
»Ich bin nach Deutschland gekommen, um die deutsche Justiz kennenzulernen. Ich fange anscheinend gleich richtig an.« Er bemühte sich um einen sorglosen Ton.
»Ich hätte mir ein anderes Objekt ausgesucht als gerade eine stickige Zelle.«
Der Wachtmeister an der Tür verlor seine Taubheit. Er sah mißbilligend auf Sylvia.
Sylvia betrachtete Pattis. Er war blaß, sein Haar war nicht mehr so gepflegt wie an dem Abend, als er an Hellmigs Kamin saß und sie anstarrte wie ein seltenes Bild. Der Kragen seines Hemdes war zerknittert und am oberen Rand angeschmutzt. Sylvia blickte auf den Zementboden des Sprechraumes. John Pattis tat ihr leid. »Es wird sich Ihre Unschuld herausstellen«,
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