Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Hancock
Vom Netzwerk:
die Ampel rot. Sie spürte, wie ihr Blutdruck anstieg. Warum redeten alle ständig von Jez? Maria hatte die ganze Woche über jeden Abend angerufen, um zu hören, wie sich ihr Sohn bei seinen Bewerbungsgesprächen geschlagen und was er gegessen hatte und um Helen daran zu erinnern, wie talentiert er doch war. Maria behandelte Jez wie einen Pudel mit Stammbaum, aber nicht wie einen normalen Teenager. Jetzt zeigte sich seine Freundin ähnlich beweihräuchernd, und das war wirklich nervtötend. Allmählich ließ die Wirkung des Weins nach, und Kopfschmerzen kündigten sich an. Helen sehnte sich nach einem weiteren Drink. Statt Alicia anzubieten, sie nach Hause zu fahren, hätte sie sagen soll: »Sei nicht böse, aber raus mit dir, ich muss nach Hause.« Da reichte man ihnen den kleinen Finger …
    »Ich sorge dafür, dass er dich anruft, versprochen«, sagte Helen.
    Nachdem sie Alicia zu Hause abgesetzt hatte, wendete sie den Wagen und überlegte, ob sie nicht eigentlich erleichtert war, dass Ben nicht zu der Vernissage gekommen war. Sie musste nicht noch einmal so aufwühlende Gefühle durchmachen, wie Alicia sie beschrieben hatte. Musste nicht mehr auf eine Mail im Posteingang warten, auf den Signalton für eine neue Nachricht. Keine quälende Nervosität mehr bei dem bloßen Gedanken daran, jemanden wiederzusehen. Keine verrückten Verabredungen an unbequemen Orten. Ausgerechnet im Fußgängertunnel! Mit solchen Sachen war sie ein für alle Mal durch. Warum sollte sie eine gerade verheilte Wunde wieder aufreißen?
    »Jetzt kannst du mit Mick mal wieder Kultur genießen, denk einfach daran«, redete sich Helen ein, während sie zwischen den hohen, braunen Wänden in den dunklen Schlund des Blackwall-Tunnels eintauchte. »Ihr werdet mehr zusammen unternehmen als früher: Theater, Städtereisen, gutes Essen. Ihr seid euch einig, dass ihr euch auf eure Beziehung konzentrieren wollt. Es war schon richtig, was du gemacht hast.«
    Als sie zu Hause den Schlüssel in der Tür herumdrehte, erwartete sie den warmen Duft einer fertigen Mahlzeit auf dem Küchentisch. Mick stand mit ernstem Gesicht in der Tür zum Wohnzimmer, unter dem Arm eine Zeitung. Aus der Küche drang kein einladender Geruch. Es brannte kein Feuer, und im Flur war es kalt.
    »Maria hat angerufen«, sagte er. »Jez sollte heute nach Paris zurückfahren. Er ist nicht angekommen.«

K APITEL S ECHS
    Samstagabend
    Helen
    Helen folgte Mick ins Wohnzimmer und schraubte den Deckel vom Pinot Grigio ab, den er für sie auf den Tisch gestellt hatte.
    »War Maria sicher, dass er heute zurückkommen wollte?«, fragte Helen. »Er sollte uns sagen, welchen Zug er nimmt, aber das hat er nicht gemacht. Er muss wohl noch hier sein.«
    »Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen? Ich glaube, bei mir war es am Donnerstag.«
    Helen setzte sich. Das Zimmer wirkte freudlos, hier mussten Blumen her. Sie beugte sich zur Seite, um die Lampe über dem Kamin einzuschalten.
    »Auch am Donnerstag, glaube ich. Nein, ich habe ihn gestern Mittag gesehen. Genau, er war hier, als ich … von der Arbeit gekommen bin. Kochst du etwas?«
    »Helen, wir müssen das klären. Wo ist er jetzt?«
    »Bei Alicia jedenfalls nicht. Ich habe sie gerade nach der Vernissage nach Hause gefahren. Sie hat erzählt, dass er sie gestern im Fußgängertunnel versetzt hat. Bestimmt ist er bei den Jungs.«
    »Im Fußgängertunnel?«
    »Offenbar treffen sie sich immer in der Mitte zwischen Nord und Süd. Irgendwie süß.«
    Mick sprang auf und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
    »Wir müssten doch wissen, wo der Junge ist! Was sollen wir Maria sagen, wenn sie noch mal anruft?«
    Helen schenkte sich etwas ein.
    Mick warf ihr einen vielsagenden Blick zu.
    »Das ist dringend«, sagte er. »Maria ist völlig aufgelöst.«
    »Meine Schwester und aufgelöst. Das ist ja mal was Neues.« Sie sah ihren Mann mit hochgezogenen Augenbrauen an und erwartete, dass er auf ihren alten Witz anspringen würde.
    »Es geht doch nicht um Maria. Es geht um Jez. Ich mache mir Sorgen.«
    »He, das sieht dir gar nicht ähnlich. Du machst mir ja Angst.«
    Als ihre Söhne noch klein waren, war es immer Helen gewesen, die sich um ihre Sicherheit Sorgen gemacht hatte, die nach den Kindersitzen im Auto gesehen und dafür gesorgt hatte, dass die Jungs Fahrradhelme, Schienbeinschoner und Schwimmflügel trugen. Die nachgesehen hatte, ob sich ihre Brust nachts noch hob und senkte. Mick hatte sich nie diese Gedanken gemacht, soweit sie

Weitere Kostenlose Bücher