Ich beschütze dich
zu unscheinbar für einen Inspector, dachte Helen. Neben ihr saß ein Junge, ein Police Constable, den sie als Josh vorgestellt hatte und der beinahe jünger als Barney aussah.
Helen und Mick sahen sich an. Sie saßen am Küchentisch und tranken Tee. Maria war wie immer tadellos gekleidet, wirkte aber erschöpft. Offensichtlich hatte sie nachts kein Auge zugemacht. Sie knabberte an ihrem Daumennagel und konnte nicht still sitzen.
»Wir könnten die Nummern in Barneys und Theos Handys durchgehen und die in unserem Telefonbuch«, schlug Mick vor.
»Das habt ihr noch nicht gemacht?« Maria stand auf, aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen.
»Wir vermuten doch erst seit gestern Abend, dass etwas nicht stimmen könnte. Es war schon spät. Um diese Zeit konnten wir niemanden mehr anrufen.«
Mit einem Blick über den Tisch suchte Helen bei Inspector Kirwin Zustimmung.
»Ihr hattet den ganzen Morgen Zeit«, sagte Maria. »Ich fasse es nicht.«
»Ob du es glaubst oder nicht, in unserem Leben dreht sich nicht alles um Jez!«, platzte es aus Helen heraus, bevor sie sich zurückhalten konnte.
»Helen!« Mick starrte sie wütend an.
»Wir sind genauso aufgeregt und besorgt wie du, Maria«, sagte Helen. »Er ist unser Neffe. Aber diese ständigen Schuldzuweisungen …«
»Niemand weist jemandem Schuld zu.« Mick warf Helen einen bösen Blick zu, und sie schürzte die Lippen.
»Nach allem, was Sie mir erzählt haben«, meinte Kirwin, »ist es immer noch gut möglich, dass er gerade unterwegs nach Paris ist. Sie haben gesagt, dass er an diesem Wochenende erwartet wurde, aber keine genaue Zeit genannt hat.«
»Er hat Samstag gesagt«, antwortete Maria. »Aber er hat seine Sachen hiergelassen. Ich kenne Jez. Wenn er seine Pläne geändert hätte, hätte er sich gemeldet. Er weiß, dass ich mir Sorgen mache, wenn er sich verspätet. Er ruft immer an oder schreibt eine SMS .«
»Im Gegensatz zu unseren beiden«, grummelte Helen unwillkürlich.
»Wie bitte?«
»Ich habe gesagt, im Gegensatz zu Barney und Theo.« Helen hatte nicht verbittert klingen wollen, aber schon beim Sprechen wurde ihr klar, dass sie sich so angehört hatte.
Mick starrte sie an. »Hör auf damit.«
Kirwin ließ den Blick vom einen zum anderen wandern.
»Gab es irgendwelche Probleme mit Ihrem Neffen? Hat sein Besuch Unstimmigkeiten hervorgerufen?«, fragte sie.
Mick schüttelte den Kopf.
»Überhaupt nicht.«
»Er ist wunderbar«, sagte Helen. »Es war schön, ihn hier zu haben.«
»Wer von Ihnen hat ihn zuletzt gesehen?«
Mick sah Helen an und zuckte mit den Schultern.
»Ich bin Freitagmorgen gegen, ähm, halb acht zur Arbeit gefahren. Ich habe angenommen, dass er noch im Bett war.«
»War er auch«, sagte Helen. »Kurz bevor ich gegangen bin, ist er in die Küche gekommen und hat sich ein Glas Wasser geholt. Gegen Viertel vor acht. Ich bin wie üblich zur Arbeit gefahren. Freitag ist mein halber Tag, also war ich gegen Mittag wieder hier. Er ist gegen halb vier gegangen, glaube ich.«
»Wissen Sie, wohin er wollte?«
Helen beschloss, ihre gereizten Worte gegenüber Jez lieber nicht zu erwähnen.
»Das weiß ich nicht mehr. Er war ständig unterwegs. Zu Proben mit Barneys und Theos Band. Und er hatte letzte Woche ein paar Vorstellungsgespräche.«
»Doch nicht mehr am Freitag!«, sagte Maria. »Unglaublich, dass du das nicht weißt.«
»Natürlich weiß ich das«, sagte Helen. »Aber er ist beinahe sechzehn, Maria. Er war sehr verantwortungsvoll und ist immer pünktlich zu seinen Terminen gegangen. Man muss Kindern vertrauen, man darf ihnen nicht ständig im Nacken sitzen.«
Maria war als Mutter wirklich erdrückend. Kein Wunder, dass er lieber für eine Weile allein losgezogen war, als nach Hause zu fahren. Helen setzte sich zurecht und wechselte das Thema.
»Gestern habe ich zufällig seine Freundin getroffen. Sie hat erzählt, dass sie sich Freitagnachmittag im Fußgängertunnel treffen wollten, aber er ist nicht gekommen.«
»Im Fußgängertunnel?« Maria erblasste. »Dem Greenwich- Fußgängertunnel? Du hast zugelassen, dass sie sich da treffen?«
»So schlimm war das nicht«, sagte Mick. »Mittlerweile gibt es da unten Überwachungskameras.«
»Das stimmt«, meldete sich der junge Constable zum ersten Mal zu Wort.
»Wir müssen mit der Freundin reden«, sagte Kirwin. »Hat noch jemand Jez an diesem Tag gesehen? Jemand aus der Familie, meine ich? Ihre Söhne müssen wir natürlich auch fragen.«
Alle schüttelten den
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