Ich beschütze dich
Kopf.
»Um das noch mal festzuhalten: Sie sind Freitag gegen Mittag nach Hause gekommen und haben ihn gegen halb vier das Haus verlassen sehen«, fragte die Polizistin Helen mit durchdringendem Blick.
»Ja, genau«, stimmte Helen zu. Ihre Wangen wurden heiß, was hoffentlich niemand bemerken würde.
»Dann vielen Dank«, sagte Kirwin. »Wir würden uns gerne alles ansehen, was helfen könnte – einen Laptop oder ein Handy, das er vielleicht benutzt hat, bevor er verschwunden ist. Wenn möglich, brauchen wir ein Foto neueren Datums von Jez für unsere Vermisstenplakate. Und ein Reporter interessiert sich für den Fall, wenn Sie nichts dagegen haben. Ich weiß, so etwas kann aufdringlich wirken, aber oft hilft es, so früh wie möglich an die Öffentlichkeit zu gehen. Wäre es für Sie in Ordnung, wenn später jemand vorbeikommt und mit Ihnen redet?«
»Natürlich«, antwortete Mick sofort.
»Ich habe ein schönes Foto von ihm auf dem Handy«, sagte Maria. »Kann ich es ausdrucken, Mick?«
»Sicher«, sagte Mick. »Das machen wir sofort.«
Die Polizistin lächelte.
»Sie können es direkt an die Dienststelle schicken«, sagte sie. »Ich gebe Ihnen die Adresse.«
Als alle aufstanden, klingelte das Telefon. Helen nahm ab.
»Helen, ich bin’s, Simon.«
»Nur Simon, ein alter Freund«, erklärte Helen der erwartungsvollen Runde, während sie den Hörer bedeckte. Die anderen verließen nacheinander die Küche. Helen nutzte dankbar die Entschuldigung und blieb zurück.
»Hör mal, ich habe eine Karte für Tosca übrig, für die Kostümprobe am Freitag. Hast du Interesse?«
»Ach, Simon, genau im richtigen Moment. Ich habe ein schreckliches Wochenende hinter mir. Danke. Wenn sonst niemand mitwill?«
»Ich wollte sie Sonia anbieten, aber Greg bekommt oft Karten, und ich dachte, du weißt es mehr zu schätzen.«
»Ich würde sehr gerne gehen.«
Als Helen das Telefon weglegte, hörte sie, wie Maria und Mick im Arbeitszimmer die Sache mit Jez’ Foto klärten. Sie ging zum Kühlschrank. Für ein großes Glas Wein hätte sie jemanden umbringen können.
K APITEL Z EHN
Montag
Sonia
Ein Ende der Seide gleitet durch meine Hand. Ich will Jez gerade losbinden, damit er nichts davon erfährt, aber er öffnet plötzlich die Augen und blinzelt mich an.
»Was machen Sie da?«
»Nichts. Schon gut, Jez. Alles in Ordnung. Ich habe für heute Vormittag jemanden eingeladen, der dich spielen hören möchte. Meinen Freund von der Oper. Du weißt schon, ich habe doch erzählt, dass er dir helfen kann.«
»Ich will keine Hilfe. Ich gehe jetzt.«
Er zerrt an den Fesseln, seine Handgelenke röten sich. »Binden Sie mich los. Ich will sofort gehen.«
»Bitte nicht, Jez. Sag nicht, dass du gehen willst. Das macht mich traurig.«
»Aber Sie haben mich festgebunden.«
Ich stehe auf. »Das war nur ein Spielchen. Hör mal, ich besorge schnell was zu essen. Ich kann dir Croissants oder Bagels holen, was du willst. Was möchtest du haben?«
»Machen Sie mich einfach los. Das ist doch verrückt!«
Ich setze mich auf das Bett und streiche ihm die Haare aus der feuchten Stirn.
»Über den Kontakt würdest du dich doch freuen, oder? Dann kannst du daran anknüpfen, wenn du willst.«
Schweigend mustert er mein Gesicht. Dann sagt er: »Wenn das wegen einer Überraschungsparty für meinen Geburtstag am Mittwoch ist, gehen Sie ganz schön weit, finde ich.«
»Wie meinst du das?«
»Dass Sie mich hier festbinden! Und mich einschließen! Nachdem ich es erraten habe, könnten Sie mir doch einfach sagen, dass ich hierbleiben muss. Ich sage Helen auch nicht, dass ich es weiß. Ehrlich nicht.«
»Na gut. Aber dein Knöchel muss heilen, und ich möchte nicht, dass du etwas Unüberlegtes tust.«
Und wann lasse ich ihn gehen? Das habe ich noch nicht richtig durchdacht. Vielleicht wirklich an seinem Geburtstag, wie er glaubt. Jedenfalls bald, bevor Greg und Kit nach Hause kommen. Bevor er einen weiteren Schritt in Richtung Erwachsensein macht. Aber heute will ich jede Sekunde genießen, die mir mit ihm bleibt, und ich will, dass er entspannt und glücklich ist, nicht so verängstigt wie jetzt.
»Was kann ich dir denn nun mitbringen, Jez? Wie gesagt, ich hole dir alles, was du möchtest.«
Nach einem kurzen Moment lässt er den Kopf auf das Kissen fallen. »Ich würde gerne was rauchen. In meiner Jackentasche ist ein bisschen Gras.«
»Hole ich dir.«
»Aber ich brauche meine Hände. Ich muss pinkeln, Sonia! Wie soll ich denn so pinkeln?
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