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Ich beschütze dich

Ich beschütze dich

Titel: Ich beschütze dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Hancock
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Schande, sie zu verlieren.
    Als sie den Blick schweifen ließ, bemerkte sie am anderen Ende des Markts, in der Nähe der Lebensmittelstände, Sonia, die sich in ein Tuch gehüllt hatte. Nadia hatte recht. Sie sah wirklich fabelhaft aus. Mit dem grauen Kaschmirtuch über den Haaren wirkte sie schlanker als je zuvor und eleganter als jede andere Frau auf dem geschäftigen Marktplatz. Sie hatte es sichtlich eilig, deutete auf Lebensmittel und stopfte sie ungeduldig in eine große Einkaufstasche. Helen fiel ein, dass Greg sich Sorgen um sie machte.
    Sie trank ihren Cappuccino aus und stand auf. Sie wollte hinübergehen und Hallo sagen. Nachsehen, ob es Sonia gut ging. Sie zog ihr eigenes Tuch zurecht, schloss die Knebelknöpfe an ihrer Wolljacke und ging hinein, um zu zahlen. Die Schlange war lang und langsam, das Mädchen vorne offenbar neu, es hatte mit der Kasse zu kämpfen. Bis Helen bezahlt hatte und wieder nach draußen kam, war Sonia schon verschwunden.
    Helen überlegte, ihr nachzugehen, entschied sich aber dagegen. Stattdessen setzte sie sich wieder. In den Geschäften am Rand des Marktes war wie immer viel los. Der T-Shirt-Laden erinnerte sie an Jez. Wie er und Alicia dieses Bild heruntergeladen hatten von … von wem noch gleich? Einem Musiker aus den Siebzigern? Jeff irgendwas. Und Tim? Sie waren Vater und Sohn, hatte Jez erklärt. Helen hatte nicht richtig zugehört. Der Sohn war irgendwann nachts in voller Montur in einem Fluss ertrunken. Mit gerade mal dreißig. Er war nur ein paar Jahre älter geworden als sein Vater. Tragisch.
    Jez hatte Helen erklärt, dass sie eines der Bilder verkleinern und daraus Buttons machen wollten, und Alicia wollte es für sie beide dazu noch auf T-Shirts drucken lassen. Als das Bild heruntergeladen war, hatte Jez ein Programm gefunden, mit dem man ein Foto von sich auf den Körper eines tanzenden Elfs morphen konnte. Er und Alicia hatten das unglaublich lustig gefunden. Es war wirklich ziemlich witzig, aber noch mehr hatte sich Helen von Jez’ ansteckendem Lachen mitreißen lassen. Das war am Donnerstagabend gewesen.
    Aber weshalb reagierte sie auf Jez so angefressen? Woher war diese gereizte Stimmung gekommen, als Alicia über ihn sprach und als gestern Abend alle so einen Wind machten? Es hatte mit ihrem letzten Gespräch mit Jez zu tun, bevor dieser ganze Mist losgegangen war. Sie versuchte, sich an die Einzelheiten zu erinnern. Es war Freitagmittag gewesen. Sie war heimgekommen und hatte ein leeres Haus erwartet. Jez hatte oben laut (aber ziemlich gut, wie sie zugeben musste) mit angeschlossenem Verstärker Gitarre gespielt. Sie wusste noch, wie verärgert sie die Treppe hinaufgestampft war und seine Tür geöffnet hatte.
    »Wenn du bei uns wohnen willst, solange du hier aufs College gehst, musst du schon etwas mehr Rücksicht nehmen«, hatte sie gesagt. »Wir müssen immerhin an unsere Nachbarn denken.«
    Ihr Ärger war Unsinn, das wusste sie. Ihre Söhne spielten ständig laut Musik, und das hatte sie nie gestört. Aber Jez war in allem so verdammt gut, wie Maria ihr jeden Abend unter die Nase rieb, und Helen hatte Kopfschmerzen gehabt. Einen fetten Kater, um ehrlich zu sein.
    Jez hatte verschreckt ausgesehen und sich entschuldigt. Seine zerknirschte Reaktion hatte sie verblüfft – Barney und Theo hätten nie gesagt, es täte ihnen leid, sondern eher, dass Helen sich verziehen sollte. Ohne ein weiteres Wort war sie gegangen, und jetzt schämte sie sich für ihre Unfreundlichkeit.
    Jez hatte sich ihre Worte doch nicht etwa zu Herzen genommen und war abgehauen, weil er sich nicht willkommen fühlte? Etwas Dummes in dieser Art? Bei Micks Besorgnis und der Hysterie ihrer Schwester hatte Helen am Abend zuvor ruhig bleiben müssen. Aber jetzt stieg langsam Panik in ihr auf.
    Vielleicht hatte Maria recht. Sie war zu lässig gewesen. Und in manchen Dingen nicht nur lässig, sondern geradezu verantwortungslos. Wenn er ging, hatte sie ihn nicht gefragt, wohin. Hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wann er zurückkam. Sie hatte ihn wie ihre eigenen Söhne behandelt, aber er war keiner von ihren Söhnen. Er war jung und unschuldig und naiv und gutmütig. Bei diesen Gedanken wurde ihr so unbehaglich zumute, dass sie aufstehen und sich bewegen musste. Mit gesenktem Kopf lief sie durch den Park zurück, voller Angst vor dem, was sie erwartete.
    »Haben Sie mit jedem gesprochen, den er kennt?« Inspector Kirwin sah sie der Reihe nach an. Sie war klein und stämmig und wirkte

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