Ich beschütze dich
irrationale Bindung …«
»Was?«
»Deine irrationale Bindung an dieses Haus, der Verlust der Libido und die Schlafstörungen sind klassische Symptome für eine Depression bei Frauen in deinem …«
»Das reicht!« Ich kralle mich an der Kante der Arbeitsfläche fest. Grabe die Nägel hinein.
»Was, Sonia? Was reicht? Wir wollen nur das Beste für dich. Ich, Harry, Kit.«
»Du hast mit Harry über meine Libido gesprochen?«
»Nein, nur über die Schlafstörungen.«
»Schlafstörungen. Wie kommt Harry auf die Idee?«
Greg hat die Küche verlassen. Er zieht einen Schal von dem Kleiderständer im Flur und wickelt ihn sich um den Hals.
»Greg, ich will das wissen. Wovon redet er?«
»Er sagt, er hätte dich nachts herumlaufen sehen. Du wärst spazieren gegangen. Er hat dich im Flur getroffen …«
»Um Himmels willen. Was geht es ihn an, wenn ich nachts etwas frische Luft brauche? Aber da du es schon erwähnst, ich schlafe in letzter Zeit wirklich schlecht. Ich könnte etwas brauchen, das mir hilft.«
»Wenn du dann nicht mehr so empfindlich bist …« Er zieht seinen Rezeptblock aus der Tasche, kritzelt etwas darauf und gibt mir den Zettel. Dann murmelt er: »Kein Wunder, dass Kit zurück nach Newcastle wollte. Dass sie nicht mehr gerne nach Hause kommt.«
Kit zu benutzen ist hinterhältig. Er weiß genau, wie er meinen wunden Punkt trifft. Er wendet mir den Rücken zu, als er sich Mantel und Handschuhe anzieht.
»Kit kommt nicht gerne nach Hause, weil wir uns ständig streiten«, erkläre ich seinem Rücken. »Lass mich einfach in Ruhe. Lieg mir nicht ständig mit dem Umzug in den Ohren.«
»Sie mag es nicht, wenn du so angespannt wirkst. Und sie kann dieses Haus nicht leiden.«
»Sie ist sowieso ausgezogen, Greg. Und wenn nur du und ich bleiben, na ja …«
»Na ja was?« Er dreht sich um, zieht fragend die Augenbrauen hoch.
»Nichts.«
Ich will kein Gespräch anfangen, das unweigerlich auf eine Trennung hinausläuft. Trotz allem will ich mit ihm zusammenbleiben. Hauptsächlich wegen Kit, aber auch, weil es in gewisser Weise funktioniert. Greg weiß das. Ich bin ihm eine gute Frau. Ich lasse ihm seine Freiheit, bereite ihm aber ein gemütliches Zuhause, in das er zurückkehren kann. Und er verdient gut und ist Kit ein liebevoller Vater. Wir führen eine altmodische Ehe, mehr aus pragmatischen Gründen denn aus Liebe. Zu diesem Ergebnis hat uns der stumme Urlaub in Spanien gebracht, in dem wir uns beinahe getrennt hätten. Ich bedanke mich frostig dafür, dass er sich um die Fenstergitter kümmern will, und schlage vor, dass er sich dann aber auch beeilen sollte. Die Läden schließen bald.
»Ich bin schon weg«, sagt er. »Keine Sorge.« Beim Gehen knallt er die Tür hinter sich zu.
K APITEL V IERUNDZWANZIG
Samstag
Sonia
Nachdem ich das Rezept in der Apotheke eingelöst habe, gehe ich zu Bullfrog in Greenwich, um für Jez Kleidung auszusuchen. Der Laden scheint mir zu ihm zu passen – cool und trendig. Aber ich weiß, dass man bei so etwas auch leicht danebenliegen kann. Kit hat in Jez’ Alter oft mit mir geschimpft, weil ich ihren Geschmack völlig falsch eingeschätzt habe. Ich stopfe die neue Jeans, die T-Shirts und den Kapuzenpulli in meine Einkaufstasche.
»Für meinen Neffen.« Ich habe das Gefühl, ich müsste der Kassiererin den Kauf erklären. »Ich hoffe, sie passen.«
»Wie alt ist er denn?«
»Sechzehn.«
Hätte ich doch nichts gesagt. Sie will für mich die Größen überprüfen, aber eigentlich will ich ihre Meinung nicht hören. Das hier sollte ja nicht zu einem Gespräch ausufern. Als sie von Erstattung und Gutscheinen anfängt, unterbreche ich schroff, es sei schon in Ordnung. Ich spüre, wie sie mir nachsieht, als ich eilig den Laden verlasse.
Zu Hause sehe ich beeindruckt, dass Greg schon den Schlosser organisieren konnte und die Arbeiter im Wohnzimmer beaufsichtigt. Sie bohren in die Fenster, setzen Gitter ein und tauschen die Schlösser aus. Ein Vorteil in einer Rezession ist offenbar, dass die Leute über Arbeit froh sind. Wenn man ihnen genug Geld bietet, wie Greg es sicher getan hat, machen sie für einen alles sofort und ohne zu zögern.
»Du hast zwei Nachrichten«, sagt Greg, als er mit der Times unter dem Arm in die Küche kommt.
»Heute Morgen hast du vergessen, deine Mutter zu besuchen, und ihrem Ton nach kannst du dich auf ein ordentliches Nachspiel gefasst machen. Und Helen hat auf den Anrufbeantworter gefaselt. Sie klingt stockbesoffen.«
Ich werfe
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