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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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    Ich schluckte und öffnete den zweiten Brief, der von der anderen Weinhandlung kam.
    … müssen wir Ihnen zu unserem Bedauern mitteilen, dass wir zurzeit keine Erweiterung unseres Personals in Betracht ziehen .
    Ich schluckte erneut, doch damit konnte ich den dicken Kloß, der mir im Hals steckte, nicht loswerden. Niedergeschmettert ließ ich mich auf den Poäng-Sessel fallen – und krachte hart mit dem Allerwertesten auf den Fußboden. Absurderweise schoss mir dabei als Erstes der Gedanke durch den Kopf, dass daher vielleicht der Name kam – eine Mischung aus Po und Päng . Im nächsten Augenblick kam ich auf die eigentliche Erklärung. Dirk hatte es in seiner Unfähigkeit irgendwie geschafft, den Sessel falsch zusammenzubauen, was schon bemerkenswert war, weil man im Grunde dabei kaum was verkehrt machen konnte. Jedes Kind hätte es besser hingekriegt.
    Das zusammengebrochene Möbelstück schien auf bizarre Art mein Leben zu symbolisieren. Das war ebenfalls wegen Unfähigkeit (in dem Fall meiner eigenen) auseinandergekracht, und ich saß inmitten der Trümmer.
    Hier auf dem Boden zu hocken war – buchstäblich – der Tiefpunkt. Ich starrte verbittert auf die große Papphalde, ohne wirklich etwas zu sehen.
    In dem Moment klingelte es abermals an der Tür. Dieser Knettenbrecht! Dem würde ich was erzählen! Ergrimmt rappelte ich mich auf und rieb mir die schmerzende Kehrseite und den aufgeschürften Ellbogen.
    Ich ging zur Tür und riss sie auf – doch die ärgerliche Zurechtweisung erstarb mir auf den Lippen. Nicht der Hausmeister stand vor der Tür, sondern gänzlich unerwarteter Besuch.
    »Ssarlotte!«, sagte Mäxchen mit leuchtenden Augen.
    »Ja, du Blödi«, meinte Paulinchen. »Mama hat doch gesagt , dass wir zu ihr gehen.«
    »Was tut ihr denn hier?«, fragte ich verdattert.
    »Dich besuchen.«
    »Wirklich?« Während ich noch überlegte, was das zu bedeuten hatte, kam Jennifer hinter den Kindern die Treppe hochgeschnauft. Mit einer Hand stützte sie ihren Bauch, mit der anderen trug sie eine gewaltige Tasche. Sofort lief ich ihr entgegen und nahm sie ihr ab. »Du darfst doch nicht so schwer schleppen!«
    »Ach, das ist nicht schwer, bloß Bettzeug. Die schweren Sachen bringt Olga hoch.«
    Tatsächlich, die Tasche war nicht besonders schwer, nur voluminös. Und was Jennifer mit schwere Sachen gemeint hatte, sah ich gleich darauf, als Olga die Treppe heraufkam, gebeugt unter der Last einer gewaltigen Umhängetasche sowie eines zusammengeklappten Etwas, das sich bei näherem Hinsehen als Reisebettchen entpuppte.
    Auch Paulinchen hatte einen Rucksack umhängen, aus dem ein paar blonde Barbieköpfe ragten.
    »Wir können doch reinkommen, oder?« Jennifer ging schwer atmend durch den Flur ins Wohnzimmer, steuerte das Sofa an und ließ sich darauffallen. Ich hielt erschrocken die Luft an, aber im Gegensatz zu Poäng erfüllte das gute Stück zum Glück seinen Zweck.
    »Gott, bin ich außer Puste! Vierter Stock und kein Aufzug – dafür muss man in Form sein, und das ist bei mir momentan echte Mangelware. Na ja, sagen wir, ich bin ungefähr eine Tonne zu schwer dafür, das trifft es eher.« Jennifer blickte sich um. »Nette Wohnung. Noch nicht ganz fertig, was?«
    »Wir renovieren noch«, sagte ich.
    »Wir?«
    »Meine Freunde und ich. Eigentlich wollten wir schon weiter sein, aber einer der Helfer hat sich heute den Arm gebrochen.«
    »Oh, tut mir leid. Aber aufgebaut ist ja das meiste schon.« Sie betrachtete die auf dem Boden liegenden Poäng-Teile, sagte aber nichts dazu.
    Mäxchen zog neugierig den Papphaufen auseinander, Paula holte eine Barbie und einen Ken aus ihrem Rucksack und spazierte mit ihnen durchs Zimmer.
    Olga hatte das Reisebett und die Riesentasche im Flur abgeladen und war wieder nach unten gegangen.
    »Sie holt noch ein paar Sachen rauf«, meinte Jennifer.
    »Wie darf ich das verstehen?«, fragte ich, von einer unguten Ahnung erfüllt. »Oder vielmehr – was haben das Reisebett und der ganze Kram zu bedeuten, den ihr mitgebracht habt?« Mit einem Mal hatte ich eine schreckliche Vision – die von Klaus geerbten Schulden hatten Jennifer ruiniert. Ein Gerichtsvollzieher hatte ihren ganzen Besitz gepfändet und sie und die Kinder auf die Straße gesetzt.
    »Ihr seid doch nicht … obdachlos?«, fragte ich bestürzt.
    Jennifer musterte mich verständnislos, dann lachte sie. »Du lieber Himmel, nein. Aber in gewisser Weise weiß ich gerade wirklich nicht, wohin. Und zwar mit den Kindern.«

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