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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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Schaden aufkommen, aber zum Glück keine der anwesenden Personen. Dennoch dauerte es lange, bis ich endlich zur Ruhe kam und – inzwischen wieder komplett nüchtern, entnervt und völlig ausgepumpt – ins Bett gehen konnte. Allein.
*
    In dieser Nacht hatte ich diverse Albträume, die sich sämtlich um Wasser oder ums Schwimmen drehten. Einmal träumte ich, in einem Ruderboot zu sitzen. Es war leckgeschlagen und sank rapide, während ich versuchte, ans Ufer zu gelangen – mit einem morschen Paddel, das mir unter den Händen zerbröckelte. Schließlich stand mir das Wasser bis zum Hals, und beim nächsten Atemzug würde ich untergehen. Gnädigerweise wachte ich vorher auf, weil der Apfelwein mich zum ungefähr vierten Mal in dieser Nacht auf die Toilette trieb. Der Fußboden quietschte unter meinen nackten Füßen, das Linoleum war durch die Feuchtigkeit aufgequollen und beulte sich an mehreren Stellen wie ein Buckelwal. Adrian hatte gemeint, jetzt werde er Nägel mit Köpfen machen. Er plante, überall den Boden rausreißen und durch neuen ersetzen zu lassen. Gleich Anfang der Woche wollte er eine Handwerkerfirma anrufen; es musste ja sowieso jemand kommen, um etwas gegen die feuchte Zimmerdecke zu unternehmen. Bei der Gelegenheit, so hatte er angemerkt, könne man auch über eine Komplettsanierung von Bad und Küche nachdenken. Natürlich nur, wenn ich wollte.
    Ob ich es wollte, wusste ich bis dato nicht. Ich wusste so gut wie gar nichts mehr, nur, dass ich völlig durch den Wind war. Um sechs Uhr waren die Kinder hellwach und bestanden auf Frühstück, während ich das Gefühl hatte, noch mindestens acht Stunden Schlaf zu brauchen.
    Und das Schlimmste war: Olga war noch nicht nach Hause gekommen. Ich wartete bis zehn Uhr, dann rief ich sie unter ihrer Handynummer an (die ich mir schlauerweise inzwischen ebenso wie die Nummern von Simon und Mark notiert hatte), aber es meldete sich nur die Mailbox, wo ich meine dringende Bitte um Rückruf hinterließ. Zwei Stunden später hatte ich immer noch nichts von ihr gehört. Vorsorglich schickte ich ihr noch eine SMS, doch auch darauf erhielt ich keine Antwort. Nach einer Weile fasste ich mir ein Herz und ging runter zu Natascha. Sie öffnete erst auf mehrmaliges Klingeln und blickte verschlafen und zerzaust durch den Türspalt.
    »Nein, war nicht hier«, sagte sie mit ihrem ausgeprägten russischen Akzent, als ich sie fragte, ob sie seit gestern zufällig Olga gesehen hätte. »Sicher bei Freund und kommt bald wieder.«
    »Sie wissen nicht zufällig, wie ihr Freund heißt, oder?«
    Natascha schüttelte den blonden Wuschelkopf und zog sich gähnend wieder zurück.
    Nebenan hinter der Wohnungstür rumorte es, und ich flitzte mit Hochgeschwindigkeit die Treppe hoch, bevor Herr Knettenbrecht mir mit dem Ölkännchen auflauern konnte.
    Ob Olga vielleicht die Wochenenden insgesamt frei hatte? Sie hatte ja schon letzte Woche so was behauptet. Auszuschließen war es nicht, immerhin war das bei den meisten Menschen so. Abgesehen von gewissen zwangsverpflichteten Babysittern. Ich saß in meiner Küche, stützte den Kopf in die Hand und tat mir sehr leid. Zum endgültigen Wachwerden trank ich drei große Tassen Kaffee und versuchte mich damit zu trösten, dass Jennifer an diesem Tag ganz sicher aus London zurückkommen würde. Dann konnte sie für alles selbst wieder die Verantwortung übernehmen, auch für ihr unzuverlässiges und unauffindbares Aupair-Mädchen. Jennifers zuversichtliches »Aber spätestens Sonntag bin ich wieder im Lande!«, das sie als letztes Lebenszeichen auf Olgas Mailbox hinterlassen hatte, war wie ein leuchtender Silberstreif am Horizont. An das angehängte »Falls nicht …« wollte ich nicht denken. Das war äußerst unwahrscheinlich. So gut wie unmöglich.
    Mäxchen kam in die Küche. »Ich will in den Ssoo.«
    Trotz seines Lispelns verstand ich ihn problemlos, schon deshalb, weil Paulinchen sich der Forderung anschloss.
    »Ich will auch in den Zoo.«
    Ich seufzte tief. Doch dann atmete ich durch und sagte mir, dass es vielleicht der letzte Ausflug mit den Kindern war. Außerdem – versprochen war versprochen. Ich sollte mich nicht so anstellen, sondern die positiven Aspekte sehen. Die frische Luft, den herrlich sonnigen Sonntagvormittag. Die Freude, die ich den Kindern damit machte. Und aus welchem Grund sollte ich im Haus hocken und Trübsal blasen? Hier entging mir wirklich nichts.
    Olga hatte meinen Reserveschlüssel, sie konnte jederzeit in die

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