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Ich bin alt und das ist gut so

Ich bin alt und das ist gut so

Titel: Ich bin alt und das ist gut so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ruetting
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Generationen konnte ich inzwischen durch meine Kochbücher erfolgreich mit dem Vollwert-Bazillus infizieren. Die vielen Dankesschreiben über wiedererlangte Gesundheit dank meiner Rezepte machen mich sehr glücklich.
    Kürzlich sprach mich in der Bahn eine junge Frau mit Baby an:
    Wissen Sie, wem Sie total ähnlich sehen? Der Barbara Rütting!
    Ich: Das höre ich öfter!
    Sie: Von der habe ich ein Kochbuch!
    Ich: Und? Wie ist das Kochbuch ?
    Sie: Ja, ganz toll! Vor allem ihr Zwiebelkuchen ist bei uns ein Renner! Und der Nudelauflauf mit Sauerkraut. Auf den ist mein Mann ganz scharf.
    Ich: Wenn ich sie sehe, werde ich ihr das sagen. Es wird sie bestimmt freuen!
Alle meine Komplexe …
    Models und Schauspielerinnen scheinen am stärksten von Minderwertigkeitskomplexen geplagt. Beneidenswert frei davon hingegen ist offenbar Frau Dr. Angela Merkel. Vor Jahren befragt, wie sie sich finde, soll sie gesagt haben, sie sei mit ihrem Äußeren zufrieden.
    Sakradi!, sagt man hier in Bayern.
    Übersetzt ins Preußische so viel wie »Donnerwetter«!
    Schon zu Beginn meiner Schauspielzeit wurde meine »Habsburger Unterlippe« bemängelt, die Knie seien irgendwie falsch eingeschraubt, die Hände zu groß – die linke schien mir geringfügig zierlicher, folglich hielt ich die Zigarette, wenn ich im Film rauchen musste, immer so elegant wie möglich in der linken –, mein Blick sei stechend und was noch alles.
    Kurz, alle meine Komplexe verfolgten mich durch die ganzen 30 Jahre meiner Schauspielzeit.
    Erst jetzt mit 80 finde ich mich eigentlich ganz o. k.
    Und hatte doch vor Kurzem tatsächlich wieder an allen Komplexen dieser Welt zu leiden wie eh und je und die berühmten »Schmetterlinge im Bauch«, als sich im Speisewagen des IC ein toller Mann an meinen Tisch setzte.
    Es war genau 12 Uhr. Ich hatte bereits gegessen und wollte zahlen, denn ab 12.30 Uhr war der Tisch reserviert, stand auf einem Stück Pappe.
    »Ab 12.30 Uhr ist dieser Tisch reserviert, hier ist die Speisekarte!«, sagte ich diensteifrig, als sei ich die Serviererin, und wurde prompt schamrot.
    »Ich weiß schon, was ich nehme!«, antwortete er mit leicht englischem Akzent.
    Er mochte Mitte 40 sein, intellektueller Typ, der Typ, auf den ich fliege. Vor Verlegenheit hörte ich nicht, was er bestellte: Einen Tee? Ein Schinkenbrot?
    Aus seinem blauen Cashmere-Pullover lugte ein rosa Hemdkragen. In seinem schmalen Gesicht blitzten unter der Hornbrille irritierend hellblaue Augen, amüsiert, spöttisch, streng, forschend – ich versank in diesen Augen für eine Ewigkeit. Eine ganz verrückte Neugierde auf diesen Menschen war das, fast so etwas wie ein Erinnern … eine Wiederbegegnung …
    Karma, durchfuhr es mich, während ich immer noch in diesen spöttischen hellblauen Augen verhakt war. Er starrte, ich starrte, und das wäre wohl endlos so weitergegangen, bis einer von uns in Gelächter oder in Tränen ausgebrochen oder wir einander um den Hals gefallen wären – schließlich wandte er den Blick ab.
    Wir sahen einander dann überhaupt nicht mehr an. Entweder starrte er aus dem Fenster und ich ins Abteil hinein, oder unsere Blicke kreuzten sich in Windeseile, dann starrte ich aus dem Fenster und er ins Abteil.
    Mein Herz klopfte wie rasend. Mein Kopf glühte. Ich konnte nicht mehr durchatmen, rief alle guten Geister des autogenen Trainings und mein Mantra zu Hilfe, drückte unter dem Tisch alle möglichen Akupunkturpunkte. Wurzelchakra total blockiert, dachte ich wütend. Und ich hatte geglaubt, mich und meine Chakren einigermaßen unter Kontrolle zu haben!
    Atem zum Steißbein schicken …
    »Bitte zahlen«, sagte ich zu der vorbeieilenden Serviererin, und meine Stimme klang tatsächlich ziemlich gelassen.
    Aber nun fiel meine Handtasche auf den Boden, eine dieser riesigen schwarzen italienischen Stofftaschen mit vielen Fächern, die ich, weil ich meine, dafür keine Zeit zu haben, nie schließe, immer sind die Reißverschlüsse offen, eine Tasche, wie sie Reporter und Journalistinnen gern tragen, eine Tasche, die man sich einfach über die Schulter wirft, in der ich gelegentlich sogar ein Paar Schuhe verstauen kann, wenn ich mit flachen Schuhen irgendwo hinhetze, um dann bei der Veranstaltung mit den hochhackigen etwas langbeiniger zu wirken.
    Also diese Tasche fiel nun auf den Boden. Glücklicherweise entleerte sich aber nicht der gesamte Inhalt, auf diese Weise kam sogar das Portemonnaie zum Vorschein, das ich andernfalls wahrscheinlich lange hätte suchen

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