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Ich bin alt und das ist gut so

Ich bin alt und das ist gut so

Titel: Ich bin alt und das ist gut so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Ruetting
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müssen, unter seinen strengen spöttischen Augen in den vielen überladenen Fächern der Tasche, nicht auszudenken.
    Immer noch mit dem Versuch beschäftigt, durchzuatmen und mich mit dem Mantra zu beruhigen, kramte ich nun das Geld aus dem Portemonnaie und bezahlte, von Neuem verstört – diesmal durch den Anblick des Mittelfingers meiner rechten Hand, den ich mir vor Monaten fürchterlich in der Pferdebox eingeklemmt hatte. Der tiefblaue Nagel war zwar fast herausgewachsen, sah aber nun aus wie angeknabbert und zeigte tiefe Querrillen, diese Querrillen hatte ich mit silbernem Nagellack zu übertünchen versucht, ein total untauglicher Versuch, wie jedes Frauenmagazin bestätigen würde. Und meine viel zu groben abgearbeiteten Hände sind sowieso seit jeher mein Hauptproblem.
    Durchatmen zum Steißbein, om namah shivaya …
    Offenbar hatte er die ganze Zahlzeremonie, meine Hände, den garstigen ramponierten und dennoch silbern lackierten Nagel gar nicht zur Kenntnis genommen. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, dass er auf eine sehr ungewöhnliche Art gähnte, den Kopf weit nach hinten geworfen, den Mund unverschämt weit geöffnet. So kann nur jemand gähnen, der total unbekümmert ist. Vielleicht ein Italiener oder ein Slawe – bei Vertretern dieser Sorte Männer packt mich geradezu der Neid, weil sie sich offensichtlich überhaupt keine Gedanken machen über die Wirkung ihrer Körpersprache, in Hotelfahrstühlen zum Beispiel, wo andere, wie die Deutschen etwa und also auch ich, vor Verlegenheit nicht wissen, wo hinsehen – angestrengt die vorbeiflitzenden Zahlen fixieren, die die Stockwerke anzeigen, ja förmlich den Atem anhalten, um ja nicht den Geruch der Mitmenschen in die Nase zu kriegen.
    Bestimmt ein ganz rücksichtsloser Typ, dachte ich, nun fast erleichtert, und erlag der Versuchung, einen kurzen Blick auf seine Hände zu werfen. Sie waren lang und schmal, wie zu erwarten. Kopfarbeiter, sicher ein Wissenschaftler, vielleicht macht der Kerl sogar Tierversuche, alles möglich bei dieser Art bodenlosen Gähnens, das sich sogar noch zweimal wiederholte.
    In Gedanken probte ich einen einigermaßen eleganten Abgang. Gezahlt hatte ich. Nun saß ich da, meine monströse Tasche umklammert wie eine Bäuerin, die zum ersten Mal in die Stadt gekommen ist. Om namah shivaya, Griff um die Tasche gelockert … Das Kostüm, das mir eine Verkäuferin eingeredet hatte, trug ich an diesem Tag zum ersten Mal. Ich kann Kariertes nicht ausstehen, ich kann taillierte Jacken nicht ausstehen und ich kann Bermudas nicht ausstehen. Alle diese Merkmale zeichneten dieses Kostüm aus, das noch dazu verrückt teuer gewesen war, aber ohne Brille hatte ich in der Kabine das Preisschild nicht lesen können; beim Zahlen dann wäre ich zwar fast in Ohnmacht gefallen, war aber zu feige, der Verkäuferin zu sagen: Das nehme ich nicht, das ist mir zu teuer und das gefällt mir sowieso nicht, denn erstens mag ich nichts Kariertes, zweitens keine taillierten Jäckchen, sondern lange Blazer, und drittens keine Bermudas. Keiner Frau stehen Bermudas, nicht einmal jungen Mädchen, sie machen einen Elefantenpopo, werden aber aus unerfindlichen Gründen von den Frauen geliebt.
    Jetzt ging es darum, einen einigermaßen akzeptablen Abgang zustande zu bringen – um in mein Abteil zu gelangen, müsste ich ihm beim Gehen den Rücken zudrehen. Auch das noch. Meine Haare waren überdies im Nacken zu lang und rollten sich zu einer Art Entensterz auf. Warum habe ich es auch wieder nicht geschafft, zum Friseur zu gehen!
    Als sich zum dritten? vierten? Mal dieser Mund mir gegenüber zu diesem absolut unanständigen Gähnen öffnete, ohne dass dieser Mensch auch nur den geringsten Ansatz machte, dieses Gähnen zu registrieren, geschweige denn diese Höhle wenigstens mit der Hand abzudecken – da endlich bekam ich die Kurve. Packte fest meine kolossale Handtasche, quetschte mich samt ihr unter dem Tischchen hervor, gönnte meinem Gegenüber nur einen kurzen Streifblick, sah noch einmal in die hellblauen spöttischen Augen hinter der Hornbrille, brachte ein verhältnismäßig lässiges Auf Wiedersehen hervor, das er murmelnd beantwortete, machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Speisewagen.

    Und ging sofort auf die Toilette, um, auf Zehenspitzen balancierend und hüpfend, meinen Abgang im Spiegel nachzuvollziehen. Man kann mit diesen Spiegeln in etwa auch seine Rückseite erforschen. Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Die

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