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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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viele andere gab.
    Jetzt, wo sich ihr Taxi durch die Straßen von Tokio schlängelte, fragte Ian sie, ob er ihre Zeichnung noch einmal sehen durfte. Mattie öffnete ihren Skizzenblock und schlug ihn in der Mitte auf. Er betrachtete die Bäume und stellte fest, dass Matties Linienführung immer eleganter wurde. Die Baumstämme waren perfekt nachempfunden, in Schwarz und Braun gezeichnet, dem Himmel entgegenstrebend. Die Kirschblüten waren wie rosa Wolken, die die obere Hälfte der Bäume einfassten.
    »Du bist so gut geworden, Ru«, meinte Ian. »Du bist ein echter Rembrandt.«
    Mattie lächelte, sagte jedoch nichts, was Ian nicht überraschte. Kate und Mattie waren durch das Zeichnen immer auf besondere Weise miteinander verbunden gewesen. Sie hatten jeden Tag darüber gesprochen, Kate hatte ihr Fragen gestellt und sie ermutigt. Ian hatte versucht, das Gleiche zu tun, kannte sich jedoch nicht gut genug aus, um sie auf die gleiche Weise zu unterstützen. Während das Taxi über eine gelbe Ampel fuhr, fragte er sich, ob Mattie sich ihm jemals öffnen würde, was ihre Zeichnungen anging.
    »Warum, Schatz, hast du ausgerechnet diese drei Bäume gemalt?«, fragte er. »Wegen unserer Familie? Weil wir drei sind?«
    »Wir sind nur zwei, Papa. Nur zwei.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Es ist nur ein Bild.«
    Ian beschloss, das Thema nicht zu vertiefen. Es war ein guter Tag gewesen, und gute Tage waren seit Kates Tod selten geworden. Er schloss den Block vorsichtig und gab ihn Mattie zurück. »Bist du müde, Ru?«
    »Ein bisschen. Mein Kissen hat sich wie ein Stein angefühlt.«
    Das Taxi bog in eine Wohngegend. Die Häuser, die so dicht beieinanderstanden, dass es aussah, als wären sie miteinander verbunden, waren zweistöckig. Sie sahen nicht aus wie die Häuser in Kyoto, von denen viele alt waren und Ziegeldächer und Miniaturgärten hatten. Diese Gebäude erinnerten an kleine Büros. Nur vor ein paar Häusern parkte ein Auto. Und es waren winzige Wagen, praktisches Spielzeug, das rückwärts in Carports gesetzt werden musste.
    Der uniformierte Fahrer, der weiße Handschuhe trug, murmelte etwas und bog erneut ab, blieb dann kurz darauf stehen. Er drückte einen Knopf, und die Tür neben Mattie öffnete sich. Ian blickte auf das Taxameter und reichte dem Fahrer mehrere Scheine. Der Mann bedankte sich auf Japanisch. Ian und Mattie stiegen aus und betrachteten das Haus vor ihnen, das fast genauso aussah wie alle anderen Gebäude in der Nähe.
    Als Ian einen Schritt nach vorn machte, glitt die Haustür zur Seite. Eine alte Frau, die so gebeugt ging, als hätte sie ihr ganzes Leben lang auf den Reisfeldern gearbeitet, lächelte und bedeutete ihnen, hereinzukommen. Ians Japanisch war nicht mehr besonders gut, doch er begrüßte die Frau und fragte sie, wie es ihr ging. Sie lachte, nickte mit dem Kopf und plapperte dabei vor sich hin. »Ist Akiko-san zuhause?«, erkundigte sich Ian, eine blaue Flasche Sake in der einen Hand und Matties Finger in der anderen.
    »Sie kocht«, erwiderte die alte Frau in gebrochenem Englisch. »Kommen. Kommen hier.«
    Ian trat in den Flur und blieb stehen, um sich die Schuhe auszuziehen. Die Frau reichte Mattie und ihm Sandalen und lachte, als sie sah, dass die Sandalen nicht annähernd groß genug für ihn waren. Er verbeugte sich und überreichte ihr die Flasche Sake, für die sie sich überschwänglich bedankte. Hinter dem Eingangsbereich lag ein spärlich beleuchteter Flur, in dem Bilder hingen, die in einem merkwürdigen Winkel von der Wand abstanden. Während sie Ian und Mattie hindurchführte, piepste die Frau, wie ein Spatz es tun würde, wenn er Japanisch könnte. Sie hörte nicht einen Moment lang auf zu reden, als sie einen relativ großen Raum betraten. Auf dem Boden lagen traditionelle Tatami-Matten aus dicht gewebtem Stroh. In der Mitte des Zimmers stand ein von Kissen umgebener niedriger Tisch. Das einzige andere Möbelstück war ein kleiner Holzaltar unter dem Schwarzweiß-Foto eines ernst aussehenden Mannes.
    »Bitte, Sie setzen, Ian-san«, sagte die Frau immer noch lächelnd. »Akiko kommen bald. Sie kochen und kochen und kochen.«
    Ihre Gastgeberin verbeugte sich und verließ den Raum. Aus einem anderen erklang heftiges Reden auf Japanisch. Nach einer Minute kehrte die Frau zurück und trug ein Tablett mit Erfrischungen. »Trinkzeit«, sagte sie und stellte ein Bier vor Ian und etwas Ananassaft vor Mattie ab. Sie hob ihr eigenes Bier an und sagte: »Compai!«
    Ian wiederholte das

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