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Ich bin an deiner Seite

Ich bin an deiner Seite

Titel: Ich bin an deiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Shors
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Verschwunden. Also kein Schmerz.«
    Als Mattie lächelte, erklang ein neues Lied aus der unsichtbaren Stereoanlage. Akiko betrat das Zimmer mit einer großen Porzellanschüssel in der Hand. »Es tut mir leid, dass Sie warten mussten«, sagte sie und stellte die Schüssel auf den Tisch. »Ich hoffe, dass meine Mutter sich benommen hat.«
    »Sie ist sehr nett«, erwiderte Ian und half Akiko, Teller auf den Tisch zu stellen.
    »Ich habe Ihnen Nabe gekocht. Ein traditionelles japanisches Essen.«
    Mattie beugte sich vor, als Akiko den Deckel von der Schüssel nahm. Darin befand sich eine dunkle, dampfende Brühe mit Kohl, Pok Choi, gekochten Eiern, Pilzen, Shrimps, Muscheln und Fisch. Obwohl Mattie solche Zutaten noch nie zusammen im selben Gericht gesehen hatte, hätte der Duft, der davon aufstieg, nicht köstlicher sein können. Die Muscheln öffneten sich langsam, als hätte Akiko sie gerade erst in die kochende Suppe gegeben.
    »Nabe zusammen zu essen ist eine alte japanische Tradition«, sagte Akiko. »Wir glauben, dass es die Freundschaft festigt, wenn man dicht zusammensitzt und aus der gleichen Schüssel isst.«
    »Eine wunderschöne Tradition«, erwiderte Ian und hob eine Bierflasche, um Chies Glas noch mal zu füllen. »Compai.«
    »Compai.«
    Die Gläser klangen, und die neuen Freunde begannen zu essen, und sie benutzten dabei riesige Stäbchen, um sich etwas aus der Brühe zu fischen. Chie schien mehr zu trinken als zu essen, und ihr Lachen wurde lauter. Sie wiegte sich oft zur Musik und ermunterte Mattie ständig, mehr zu essen, behandelte sie, als wäre sie ihre Enkelin. Während Mattie und Chie lächelten und scherzten, sprachen Ian und Akiko auf Japanisch darüber, wie sehr Japan sich während der letzten fünfzehn Jahre verändert hatte. Über einige der Veränderungen, wie die Gleichstellung der Frauen, berichtete Akiko stolz. Über andere, wie den Anstieg der Verbrechensrate, beklagte sie sich. Sie stellte viele Fragen über Ians Zeit in Kyoto und war fasziniert von seinen Erfahrungen. Während sie sich unterhielten, bemerkte Ian, dass Mattie Akiko oft ansah und manchmal auch den Schrein und das Porträt. Die Schüssel mit Nabe war schließlich leer, und Chie stand auf, verbeugte sich und verschwand in der Küche.
    »Wir sollten ihr helfen«, sagte Ian und wollte aufstehen.
    Akiko schüttelte den Kopf. »Bitte, setzen Sie sich, Ian-san. Sie wird viel glücklicher sein, wenn Sie hierbleiben.«
    »Aber ich bin sicher, dass sehr viel zu tun ist.«
    »Das stimmt. Aber sie macht sich gerne im Haushalt nützlich. Wenn sie es nicht tut, dann macht sie sich Sorgen, dass sie mir zur Last fällt.« Akiko lächelte und schenkte allen grünen Tee nach, den sie jetzt tranken. »Freuen Sie sich schon auf die Reise nach Kyoto morgen?«
    Ian nickte, obwohl er sich nicht wirklich auf den Besuch in der Stadt freute, wo er und Kate sich ineinander verliebt hatten. Dort lebten zu viele Erinnerungen, die ihm mehr Schmerz als Freude bereiten würden. »Ich schätze, Mattie wird ihre erste Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug gefallen.«
    »Da bin ich sicher.«
    Mattie trank von ihrem Tee und sah ihre Gastgeberin an. »Danke, dass Sie uns zum Essen eingeladen haben, Akiko-san.«
    »Es ist uns ein Vergnügen, euch hierzuhaben. Und vielen Dank, dass ihr heute meine Klasse unterrichtet habt. Ich bin sicher, dass meine Schüler noch lange von euch sprechen werden. Sie arbeiten so hart. Es war schön, sie lachen zu hören.«
    »Akiko-san?«
    »Ja, Mattie-chan?«
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    Akiko stellte ihren Tee ab. »Natürlich. Alles, was du möchtest.«
    »Ist das Ihr Vater?«, wollte Mattie wissen und deutete auf das Foto.
    »Ja. Obwohl er ein sehr viel fröhlicherer Mensch war, als es auf dem Bild wirkt.«
    »Wie alt waren Sie … als er starb?«
    »Das war vor zwölf Jahren, Mattie-chan. Ich war damals vierunddreißig Jahre alt.«
    Mattie rutschte auf ihrem Kissen hin und her. »Sie wirken jetzt so … glücklich. Wie können Sie so glücklich sein?«
    Ian hatte Akiko vom Tod seiner Frau erzählt, und die Japanerin nickte Mattie zu. »Kein Tag vergeht, an dem ich das Foto meines Vaters nicht ansehe und mir wünsche, er wäre hier«, sagte sie. »Ich werde ihn immer vermissen. Aber ich habe meine Mutter und meine Schüler. Mein Leben ist gut.«
    »Ist es das?«
    »Ja. Ich bin zufrieden.«
    »Das ist schön«, sagte Mattie leise und sah zu Boden. Sie fragte sich, warum sie sich so verloren ohne ihre Mutter fühlte, warum

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