Ich bin an deiner Seite
sie auf den Baum klettern durfte, um dort eine Nachricht für ihre Mutter zu hinterlassen. Der Mann runzelte die Stirn, aber dann sah er die Sehnsucht in ihrem Gesichtsausdruck und nickte. In dem Bewusstsein, dass ihr Vater ihr zusah, ging Mattie zu dem Baum.
Es war schwierig, nach oben zu klettern, da die unteren Äste des Stamms abgeschnitten worden waren. Rupi ging als Erster, sprang nach oben, griff nach dem Stumpf eines abgebrochenen Astes und zog sich daran hoch. Mattie tat es ihm nach, und ihr Rucksack schwang hin und her, während sie kletterte. Sie fragte sich, wie hoch Rupi klettern würde, und hoffte, er würde nicht anhalten. Weil sie wollte, dass ihre Mutter den besten Blick auf das Bild hatte, kletterte Mattie höher. Sie mochte es, hinter Rupi herzuklettern, es gefiel ihr, dass er sich immer zu ihr umsah, um sich zu vergewissern, dass mit ihr alles in Ordnung war. Zweimal streckte er ihr die Hand hin und half ihr hinauf, und ihre Finger verschränkten sich ineinander.
Mattie fragte sich, wie es wohl wäre, mit einem Bruder oder einer Schwester auf einen Baum zu klettern. Würden sie sich immer gegenseitig helfen? Würden sie beste Freude sein?
Rupi blieb stehen und lehnte sich gegen den Stamm. Er zog Mattie erneut zu sich herauf, und sie setzte sich auf einen Ast in der Nähe. Sie waren höher als das benachbarte Gebäude, und Mattie sah, dass sich in der Mitte des Flachdachs eine riesige Pfütze gebildet hatte.
Mit der rechten Hand nahm Mattie ihren Rucksack von ihrem Rücken, öffnete ihn und holte ihren Skizzenblock heraus. Sie blätterte den Block durch, bis sie ihr Bild vom Tadsch Mahal fand. Sie betrachtete die Zeichnung, zeigte sie Rupi, faltete sie dann sorgfältig und steckte sie in die Öffnung eines gespaltenen Astes. Sie sah auf und versuchte, irgendwo ein Aufblitzen des Geistes ihrer Mutter zu sehen. Sie sprach leise mit ihrer Mutter, bat sie, über Rupi zu wachen und dafür zu sorgen, dass es ihm gut ging und er in Sicherheit war.
»Warum lassen du Bild im Baum?«, fragte Rupi, der Prem fest in der Hand hielt.
Mattie setzte ihren Rucksack wieder auf und blickte zu ihrem Vater hinunter, der in der Nähe des Stamms stand. »Meine Mutter … sie ist tot, das habe ich dir ja erzählt. Aber sie liebt es, meine Bilder zu sehen und zu lesen, was ich ihr schreibe. Also hinterlasse ich die Bilder in Wunschbäumen.«
»Wunschbäume?«
»Orte, wo ich mich ihr nah fühle, wo ich weiß, dass sie mich sieht.«
Rupi nickte. »Morgen, wenn du sein an Flughafen, wenn du fahren in neues Land, ich komme raus und sehe nach dein Bild. Wenn es fallen herunter, ich bringe es wieder zurück, stecke es ganz oben in Baum. Dann deine Mutter sehen es für viele Tage.«
Mattie bewegte ihren wackeligen Zahn mit der Zunge und wollte nicht daran denken, von Rupi getrennt zu sein. »Vermisst … vermisst du deine Mutter, Rupi?«
»Ich nicht erinnern an sie, deshalb ich nicht vermissen sie. Aber manchmal … ich sehen Mütter mit Jungen, und das mich macht traurig.«
»Ich weiß. Mich auch.«
»Aber du mich bringen hierher, deshalb ich jetzt so glücklich. Vielleicht irgendwann ich haben Mutter.«
»Wir werden eine Familie für dich finden. Mein Papa ist wirklich gut in solchen Sachen.«
Rupi atmete tief aus, als wäre er gerade aus dem schlammigen Wasser des Flusses aufgetaucht. »Ich glauben, ich schon wiedergeboren. Als du sagen Hallo und mir geben zu essen, an dem Tag ich wiedergeboren. Ich viel Glück. Ich nicht muss mein Körper verbrennen und in Wasser werfen für Wiedergeburt. Ich schon wiedergeboren. Ihr mein Ganges.«
»Wirklich?«
»Ihr … ihr so viel machen für mich. Nächstes Mal, wenn ich dich sehe, ich viel mache für dich. Und Mr Ian. Ich euch gebe Gefühl, ihr auch wiedergeboren.«
Mattie betrachtete sein Lächeln. Sie freute sich so, es zu sehen. Aber ihr Lächeln war nur halb so breit. Sie wollte sich noch nicht von dem Jungen trennen, der sie zum Lachen brachte, der ihr seine Hand gab und ihr half, auf einen Baum zu klettern.
Mattie wollte wiedergeboren werden. Sie verstand, wovon er sprach. Sie sehnte sich danach, aufzuwachen und festzustellen, dass alles anders war, dass alles so war, wie sie es wollte.
»Ich werde dich vermissen, Rupi«, sagte sie und biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu weinen.
Rupis Lächeln wackelte, und er griff nach ihrer Hand. Ihre Finger trafen sich und klammerten sich aneinander, und keiner von ihnen war schon bereit, von dem Wunschbaum
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