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Ich bin da noch mal hin

Ich bin da noch mal hin

Titel: Ich bin da noch mal hin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Butterfield
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Herbergen, eine Bar und ein Hotel gruppierten sich an dem ehemals so gut wie verlassenen Hang. Hans und ich waren damals darauf vorbereitet gewesen, wilde Hunde mit Steinen vertreiben zu müssen. Als ich jetzt in der Albergue de Monte Irago meine erste Kaffeepause an diesem Tag einlegte, fühlte ich mich selbst wie restauriert. Im Moment hatte ich keine Sehnsucht nach abwesenden Gefährten. Die körperliche Anstrengung, die Aussicht und das wunderbare Wetter hatten mein Selbstmitleid bezwungen, und mein Gemüt war heiter wie der wolkenlos blaue Himmel über mir. Mein Gefühl, nach Hause zu kommen, verstärkte sich, als ich draußen Leute in unverkennbarem Yorkshire-Dialekt reden hörte. Ich war siegestrunken, denn mir war ein kleiner Kraftakt des »inneren Wiederaufbaus« gelungen. Mein halb leeres Glas war jetzt halb voll, und das hatte kaum sechs Kilometer in Anspruch genommen. Ich stempelte mein credencial mit dem Lotusblüten- sello der Herberge und machte mich wieder auf den Weg, um die Leute aus Yorkshire einzuholen.
    Ich musste zwei Kilometer über die glutheiße, mit gelber Schafgarbe und gelbem Ginster bewachsene Hochebene bis an den Fuß des Cruz de Ferro hasten. Mit den sechs Männern aus Sheffield, die tags zuvor in Astorga ihren Camino begonnen hatten, Schritt zu halten, war nicht einfach. An den berghohen Steinhaufen gelehnt, der Gaucelmos Eisenkreuz aufrecht hielt, berichteten sie, wie die englische Regenbogenpresse das Versagen einiger unserer Spieler in der WM erklärte. Pat meinte, wenn sie »ausgelaugt« und »deprimiert« wirkten, liege das nicht an der langen Fußballsaison zu Hause, sondern an ihrem ausschweifenden Privatleben. Sogar Franz Beckenbauer kann unmöglich angenommen haben, dass sie derartig dumm spielten. Eine Busladung Touristen fügte dem Steinhaufen ihren Beitrag hinzu und begrub den Lapislazuli und den einfachen Kiesel, die Hans und ich 2001 hinterlassen hatten, noch tiefer.
    Hinter dem Kreuz wand sich eine Straße durch derbe Heide und hohes Gras nach El Acebo.
    »Hallo«, rief jemand von der Straße her.
    Als ich den Kopf aus dem Gras streckte, sah ich Bob, den jungen holländischen Pilger, dessen Namen ich aussprechen kann. Dass ich mit diesem bärenstarken Neunzehnjährigen gleichauf war, erfüllte mich mit Stolz, und ich hoffte, er würde auch bemerken, wie schnell ich vorangekommen war. Er wirkte tatsächlich überrascht.
    »Hallo«, sagte ich. »Wie weit gehst du heute?«
    »Bis Molinaseca.«
    »Ich auch. Oder sogar noch bis Ponferrada.«
    »Nein, das ist mir zu weit«, sagte er kategorisch. »Ich mache immer um zwei Uhr Schluss, egal, wo ich bin.«
    Auch wenn du auf dem Monte Irago in einem Ginsterbusch sitzt?, wollte ich fragen.
    Aber Bob war mit seinen langen Schritten schon hinter dem Holzschuppen und wieder auf dem Pfad durch das Heideland. Ich betrat die rudimentäre Herberge und schenkte mir aus der Kanne, die dort für durstige Pilger bereitsteht, Kaffee ein. Zwischen den zum Verkauf angebotenen Souvenirs standen mehrere Bücher über den Camino, »Ich bin dann mal weg« allerdings nicht, was mich auch nicht überraschte. Hier hatte Hanseinem halb verdursteten, angebundenen Hundewelpen eine Schüssel Wasser gebracht und seinen Herrchen eine Standpauke gehalten. Er wird sich freuen, von mir zu erfahren, dass er mit dem Verzicht auf diesen kleinen Absatzmarkt einen erheblichen Beitrag zum Tierschutz in Manjarín geleistet hat. Heute lässt sich kein Haustier blicken.
    Zwei Kilometer weiter und sechsundsechzig Meter höher als das Kreuz erreichte ich den Gipfel des Monte Irago, mit 1517 Meter der höchste Punkt des Camino. Die tiefgrünen Gletschertäler der umgebenden Berge erstreckten sich bis weit in den Süden. Am dunstigen Horizont waren Windmühlen auszumachen. Zwischen mir und Molinaseca lagen nun noch El Acebo und Riego de Ambrós, gut neunhundert Höhenmeter Abstieg und dreizehn Streckenkilometer – durchaus eine Herausforderung. El Acebo tauchte wie aus dem Nichts hinter einem Ginsterbusch auf, und es kam mir vor, als hätten sich alle Pilger aus Rabanal in diesem Dorf, das wie geleckt wirkt, zum Mittagessen verabredet. Große Gruppen von Pilgern verstellten die Straße vor der Tür eines Cafés und schwenkten in stolzer deutscher Manier Biergläser.
    »Hallo, Anne! Was soll ich dir bringen?«, rief Pat, als er mich entdeckt hatte.
    »Oh, nein, nein, Pat. Es ist zu heiß. Ich trinke nur Wasser. Trotzdem danke.«
    Drinnen in dem kühlen, dunklen Café, einer

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