Ich bin dann mal alt
unersetzlich und müssten weiterkämpfen. Andere bleiben eisern in ihrer bisherigen Einstellung verhaftet, wollen bewusst nichts verändern oder erneuern – und erstarren dabei. Doch auch die gegenläufige Tendenz wird oft sichtbar: eine Flucht in die Rastlosigkeit, in der die Menschen alle bisherigen Lebensformen über Bord werfen und sich von einem Experiment ins nächste stürzen.
Menschen zwischen Anfang 40 und Mitte 50 nehmen solche Störungen häufig nicht wahr, weil sie in diesem Alter körperlich meist noch ziemlich fit sind und kaum an Gebrechen leiden. Die gute physische Verfassung kann aber darüber hinwegtäuschen, dass der Mensch in dieser Phase seines Lebens eine allmähliche Abwendung vom Körperlich-Materiellen hin zu seelischen und geistigen Entwicklungen braucht. Wenn er seine Emotionen nicht lebt und seine geistige Entwicklung missachtet, wenn er sich weiterhin hetzen und treiben lässt, wenn er den alten Zeit-und Erfolgsdruck nicht in mehr Gelassenheit umwandelt, wenn ihm der Stress wie eh und je das Leben vergällt und er nicht zu innerer Ruhe finden kann, dann verliert der Mensch seinen Rhythmus, seine Ausgeglichenheit, seine Mitte. Wer den Wandel
missachtet, stört seinen natürlichen Lebensrhythmus und öffnet allen möglichen Krankheiten Tür und Tor.
Leider ist bei vielen Menschen die Bindung an konventionelle Sicherheiten stärker als ihre Bereitschaft zur Veränderung, zum Schritt auf die nächste Stufe des Lebens. Dann »bearbeiten« sie ihre Gefühle und Ängste nicht bewusst, sondern drängen sie ins Unterbewusstsein ab. Die Verbindung zum individuell gestalteten Leben kann abreißen, Sinnverlust, Ziellosigkeit und Unlust können den weiteren Weg versperren. Die Gefahr ist jetzt groß, dass die brachliegenden inneren Kräfte sogar in abnormes organisches Wachstum umschlagen, sodass der Lebenswille zum Vernichtungswillen entartet. Die nicht in sinnvolles Denken, Fühlen und Handeln umgewandelte Lebensenergie kann sich dann in vielerlei Krankheiten niederschlagen.
Wer dagegen die natürliche Wandlung in seiner Lebensmitte annimmt und als Chance begreift, erfährt, dass alles Wachstum dem Werden und Vergehen unterliegt. Diese Erkenntnis bringt positive Auswirkungen mit sich: Die starken Spannungen lassen nach, der Mensch fühlt sich nicht mehr so gehetzt und kämpferisch und erkennt in seinem Inneren neue Zusammenhänge. Diese Erfahrungen führen dazu, dass Probleme zwar nicht teilnahmslos, aber mit Ruhe und Distanz betrachtet werden. Anders gesagt: Man lässt sich nicht mehr so leicht »verrückt« machen und kommt durch viele Lebenserfahrungen zu neuen Einsichten und Schlüssen. Jenseits der 50 werden dem Menschen bestimmte Werte bewusst. Er erlebt mitunter eine innere Ergriffenheit – sein Horizont und sein Herz sind weit geworden. Es ist die Zeit, in der ihm der Tod nahestehender Menschen die eigene Begrenztheit und Sehnsucht nach dem Jenseits bewusst werden lässt. Diese Erfahrungen und die Beschäftigung mit dem Schicksal, mit der Frage nach dem Sinn des Lebens führen ihn zu ganz neuen Einsichten.
Die Zeit zwischen 42 und 56 ist für die meisten Menschen der Abschnitt ihres Lebens mit den tiefsten und nachhaltigsten spirituellen Erlebnissen. Im besten Fall findet ein Mensch zu einem fast idealen Gleichgewicht zwischen körperlicher und geistiger Energie. Er ist in diesem Alter körperlich noch sehr fit – und hat doch bereits viele geistige und seelische Erfahrungen gemacht.
Von 56 über 63 bis 70 – Leben im Bewusstsein des nahenden Endes
In den Lebensjahren zwischen 56 und 70 umfasst der Siebener-Rhythmus wieder einen Doppelbogen. Jetzt wird sich der Mensch seiner Vergänglichkeit bewusst und setzt sich mit dem eigenen Tod auseinander. Manche verzweifeln dabei, werden melancholisch und depressiv, hadern freudlos mit ihrem Schicksal. Nicht selten werden sie misstrauisch und mürrisch oder verhärten – das Leben wird für sie oft zur Plage. Andere Menschen wiederum erleben dagegen einen harmonischen Lebensabend. Sie werden – im wahrsten Sinne des Wortes – »gewissen-haft«, denn ihr Gewissen dient ihnen als Richtschnur im Leben.
Die erste Phase zwischen 56 und 63 ist häufig noch geprägt von der Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal und der Erkenntnis, dass sich das Leben dem Ende entgegenneigt. Der Mensch erkennt noch mehr seine Grenzen, die ihm in dieser Klarheit vorher nicht bewusst waren – und er weiß, dass er sich allmählich der Schwelle zum Tod
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