Ich bin dann mal alt
unverändert aus den Statistiken abzulesen. Aber die meisten Mittsechziger sind heute viel rüstiger als früher. Sie werden von der Werbeindustrie als konsumfreudige »Golden Agers« umworben – kein Wunder, schließlich verfügen die meisten Senioren über konjunkturunabhängige Einkünfte, die sie für Reisen und hochwertige Nahrungsmittel, für Gesundheits- und Wellnessprodukte, für Wohnen und für ihre Enkel ausgeben. Die Beschäftigung mit dem Tod ist eher selten, sodass der bisherige Siebener-Rhythmus zwischen Mitte 50 und 70 derzeit wohl nicht mehr uneingeschränkt gelten kann.
Trotzdem ist es sinnvoll, dass wir auch in der Gegenwart die einzelnen Rhythmen zwischen Geburt und Lebensmitte beachten, sonst bleibt es uns nicht erspart, dass wir die Versäumnisse in späteren Lebensphasen »nachholen« müssen. Manchmal kann so ein zeitversetzter Prozess sogar zum Blick ins Panoptikum werden: Die geliftete 50-jährige Blondine im Minirock lässt aus der Disco grüßen. Sie lebt jetzt aus, was ihr – vielleicht wegen zu
früh übernommener Verantwortung – als Teenager oder junger Frau zwischen 21 und 28 nicht möglich war.
Auch die Zeit nach 70 scheint durch die deutlich gestiegene Lebenserwartung von den Erkenntnissen, wie sie im alten Siebener-Rhythmus geschildert werden, abzuweichen. Warum, zum Beispiel, nehmen Demenzerkrankungen, vor allem Alzheimer, in so enormem Maße zu? Gibt es eine Erklärung für das immer häufiger auftretende Parkinson-Syndrom, für Krebs, für Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Leiden? Auf welche Störungen in früheren Lebensrhythmen gehen diese Krankheiten ursächlich zurück?
Wir wissen es nicht, darauf gibt es noch keine schlüssigen Antworten. Möglicherweise ist die deutliche Lebensverlängerung nicht nur auf medizinische Erfolge zurückzuführen, sondern auch darauf, dass die Menschen ihre »Hausaufgaben« im Leben noch nicht erledigt haben – und zwischen 70 und 90 ihr unerledigtes Denken und Handeln erst noch aufarbeiten müssen, bevor der erlösende Weg in den Tod frei ist? Vielleicht geschieht dieses Aufarbeiten in einer Art und Weise, die wir nicht begreifen können, weil wir den Schöpfungsplan nicht kennen. Könnte es nicht sein, dass wir nicht sterben sollen, bevor wir nicht die vielen Fragen beantwortet haben, denen wir früher immer ausgewichen sind? Dann allerdings wäre die Lebensverlängerung für einen Menschen umso größer, je umfangreicher seine noch unerledigten Aufgaben sind.
Dieser Gedanke lässt sich am besten an einem konkreten Beispiel darstellen. In den ersten beiden Siebener-Rhythmen zwischen der Geburt und dem 14. Lebensjahr geht es vor allem um die Entwicklung zur Eigenständigkeit, es geht also darum, dass wir uns allmählich aus der Abhängigkeit von anderen lösen. Viele Kinder erleben in dieser wichtigen Phase Defizite. Sie bekommen aber im hohen Alter noch einmal die Gelegenheit, diese
ungelösten Probleme zu »bearbeiten«. Auf der körperlichen Ebene holen sie dann die Baby-Jahre nach und lassen sich füttern, wickeln und rundum versorgen. Auch im geistigen Bereich besteht oft Nachholbedarf. Im Gegensatz zu früher sind die meisten Menschen im Alter materiell abgesichert und nicht mehr in äußere Zwänge verstrickt. So haben sie die Möglichkeit, alte Kindheitsprobleme wie die nicht geglückte Befreiung aus der Abhängigkeit von Eltern, Freunden und Autoritäten auf einer geistigen Ebene bewusst aufzuarbeiten. Die Menschen bekommen also eine zweite Chance, um ungelöste Lebensprobleme aus der Vergangenheit zu klären – zugegeben: eine vage Theorie.
Künftige Lebensrhythmen
Gegenwärtig stehen wir ziemlich ratlos vor dem Phänomen des Altwerdens, und es braucht wahrscheinlich noch eine lange Zeit der Beobachtung, bis sich die gestiegene Lebenserwartung auch im Siebener-Rhythmus niederschlägt. Wie weit sich die Lebensspanne auf der Zeitachse noch dehnen wird, ist ebenfalls ein Rätsel. Forscher vermuten, dass der Mensch 120 Jahre alt werden kann. Wie sich in diesem Fall die einzelnen Siebener-Rhythmen jenseits der 70 fortentwickeln, weiß heute niemand. Auch die statistischen Daten lassen keinerlei Rückschlüsse auf die Kernfrage zu: » Wann hat sich ein Leben erfüllt?« Wahrscheinlich werden wir das nie erfahren, weil wir den göttlichen Plan nicht kennen.
In den Todesanzeigen der Zeitungen liest man oft merkwürdige Urteile über Menschen, die soeben verstorben sind. Da behaupten zum
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