Ich bin dann mal alt
Dankbarkeit – und während er leise das Gebet sprach, verstarb er.
Er war ein Obdachloser, einer, der sein ganzes Leben lang auf Wanderschaft gewesen war. Sein sehnlichster Wunsch, dass in seiner Todesstunde einer da ist, der mit ihm betet, hatte sich auf ungewöhnliche Weise erfüllt: Der Mönch kam sieben Minuten zu spät in Frankfurt an – aber es war genau die richtige Zeit. Zufall? Wahrscheinlich nicht, sondern ein Geschenk Gottes, ein heiliges Zeichen seiner Güte und Barmherzigkeit. Niemand hatte damals wohl gewusst, dass der sterbende Mann in einer Gottesbeziehung lebte. Vielleicht war seine Sehnsucht nur ein Wunsch, ein Gedanke. Aber sie war da und dieses Urvertrauen hat den Mann ein Leben lang getragen. Sein Leben hat sich in der letzten Stunde erfüllt.
Ruhe und Bewegung – scheinbare Gegensätze gehören zusammen
Das Leben der Menschen ist wie das Leben einer Henne: Du brauchst Zeiten, in denen du herumrennst und scharrst und pickst – und du brauchst Zeiten, in denen du Eier legen kannst. Wenn du nur herumrennst, hat es keinen Sinn, weil dir die Zeit zum Eierlegen fehlt, und wenn du nur im Nest hockst, hast du nix zum Fressen und kannst auch keine Eier legen. Deshalb sollst du es machen wie die Hühner. Am besten wäre es sogar, dass du in der Früh, wenn’s hell wird, mit den Hendln aufstehst, und dass du dich ins Bett legst, wenn es finster wird. Das wär das Allergescheiteste, aber der Mensch kann das nicht.
Lindenwirtin Josefine Wagner
Der sinnvolle Rhythmus von Ruhe und Bewegung darf nicht verwechselt werden mit einem Trainingsprogramm für Senioren. Natürlich sollen sich die Menschen auch im Alter körperlich bewegen und dafür gibt es viele gute Empfehlungen. Aber noch wichtiger ist es, nicht nur die körperliche Bewegung zu beachten, sondern auch die geistige und eine vernünftige Balance zwischen diesen beiden Zuständen zu finden. Obwohl sie uns als Gegensätze erscheinen, gehören Ruhe und Bewegung zusammen. Je öfter sich ein Mensch in einem bestimmten Rhythmus bewegt – beim Spazierengehen, beim Joggen, beim Radfahren –, desto mehr kommt er auch in sich zur Ruhe. Dabei ist es sehr hilfreich, möglichst immer die gleiche Strecke zu nehmen, damit nicht ständig neue Bilder entstehen, die ablenken. Es ist scheinbar paradox: Durch die äußere Bewegung kommt man innerlich zur Ruhe. Diese Ruhe ist weder Stillstand noch Erstarrung, sondern ein höchst sensibler und aktiver Zustand. Umgekehrt ist es ganz ähnlich: In der Meditation oder beim Gebet sitzt der Mensch
fast unbeweglich da – doch diese äußerliche Ruhe bringt ihn in eine intensive geistige Bewegung.
Viele verstehen unter Bewegung vor allem Hektik oder Aktionismus und glauben, sie geschehe nur beim Dauerlauf, beim Einkaufen, wenn man in der Küche umherrennt oder den Rasen mäht. Diese Vorstellung ist genauso falsch wie die, dass man Ruhe erlebt, wenn man vor dem Fernseher auf der Couch liegt und einen Science-Fiction-Film anschaut – da bewegt sich zwar der Körper nicht, aber die Seele ist mit hoher Geschwindigkeit unterwegs.
Das Leben zwingt den Menschen, ständig etwas zu tun. Doch Bewegungszwang und Druck sind hinderlich für echte innere und äußere Bewegung oder für Ruhe. Die Seele reist langsam, heißt es. Ein Mensch, der ständig auf Achse ist, ruht nicht in sich.
Bewegung bedeutet auch, dass jemand auf dem Weg zu einem Ziel ist – und sich dabei verändert. Die Bewegung macht erst dann Sinn, wenn der Mensch das Ziel, auf das er zugehen will, kennt oder erahnt. Natürlich kann auch die Bewegung selbst ein Ziel sein. Dass der Weg das Ziel ist, stimmt zwar nicht immer, aber in diesen Worten steckt viel Wahrheit. Ein Jogger, der sich auf seinen täglichen Rundlauf im Wald begab, wurde von einem Kind gefragt: » Wohin läufst du?« Er tat sich schwer, darauf verständlich zu antworten, bei ihm war tatsächlich der Weg das Ziel.
Was kann ein junger oder alter Mensch tun, um Bewegung im spirituellen Sinn zu erleben? Muss er sich Ziele setzen, die er konsequent ansteuert? Ist er dabei überfordert?
Das Grundprinzip von Bewegung und Ruhe ist einfach: Du gehst deinen Lebensweg sehr bewusst, und zwar in aller Ruhe, einen Schritt nach dem anderen. So gelangst du über die Körpererfahrung allmählich zur Erfahrung der Seele und zur eigenen Spiritualität. Am besten ist diese Entwicklung bei einer Wallfahrt
zu beobachten. Sie ist eine spirituelle Wanderung zu sich selbst. Die Wallfahrer erleben in ihrem Gehen, in
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