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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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breitkrempigen Hut in den Nacken. Während eines Rundgangs über sein Anwesen, erklärt Graber die wichtigsten der manchmal verwirrenden Regeln der Amish in Bezug auf Technik und Neuerungen. »Es ist nicht so, dass wir grundsätzlich jeden Fortschritt ablehnen«, erklärt er. »Wir machen einfach nur nicht jede neue Entwicklung automatisch mit.« Wenn also etwas Neues erfunden wird, sei es das Automobil, das Telefon oder das Internet, warten die Amish erst einmal ab. Beobachten, wie diese neue Technik das Leben der Menschen verändert, welche Vor-und welche Nachteile sie mit sich bringt. Mutige und neugierige Amish probieren manches vielleicht sogar aus. Erst nach einer Weile entscheiden dann aber die obersten Bischöfe, ob die Neuerung zugelassen wird oder nicht. »Dabei wägen sie vor allem nach einem Gesichtspunkt ab«, sagt Graber. »Hält es unsere Glaubensgemeinschaft zusammen? Oder bringt es uns auseinander?« Oft werden Kom.prornisse gefunden, um die Vorteile möglichst gut nutzen zu können, während man die Nachteile vermeidet -was mitunter zu kuriosen Regelungen führt. So ist Fahrradfahren beispielsweise verboten, Inline-Skaten erlaubt. 13 Kein Amish darf selbst ein Auto fahren -sich von einem Taxi chauffieren zu lassen, ist wiederum gestattet. Und dann ist da noch die Sache mit den Telefonen ...
    »Das hier ist unser Telefonanschluss«, sagt Graber und öffnet einen kleinen weißen Holzschuppen, der rund hundert Meter vom Wohnhaus entfernt auf dem Feld steht. Drinnen stehen ein Klapptisch, ein Stuhl und ein Telefonapparat samt Anrufbeantworter. Die Wände sind voll mit Post-It-Zetteln und an die Holzwand gekritzelten Telefonnummern. »Ganz auf das Telefon zu verzichten, hätte zu viele Nachteile bedeutet«, sagt der Schreiner und spuckt auf den Acker. »Wir müssen den Tierarzt rufen können und für Kunden unserer Schreinerei erreichbar sein. Aber Telefone im Haus wollten die Bischöfe nicht erlauben, weil sie Angst hatten, es würde zu eitlem Geplauder, zu Lästereien und Müßiggang führen. Statt mit Menschen in der Feme zu sprechen, sollen wir uns lieber mit unserer Familie und unseren Nachbarn beschäftigen.« So entstanden vor fast 100 Jahren die unbequemen »Telefonzellen« fernab der Wohnhäuser, von denen sich oft mehrere einen Anschluss teilen. 14 Andere trickreiche Kompromisse der Amish umfassen Kühlschränke, die mit Gas betrieben werden, sowie Arbeitsmaschinen, die ein Dieselgenerator über ein Druckluftsystem antreibt. Wenig später sitzen wir am Esstisch der Grabers, und Jacob holt etwas aus der Tasche seiner bollerigen Jeans, die eine seiner Töchter für ihn genäht hat. Er legt den kleinen Gegenstand unter ein quadratisches Stofftuch auf den Tisch. »Entschuldigung, aber ... ist das ein Handy?«, kann ich mir nicht verkneifen, zu fragen. »Jawohl«, gibt Jacob zu. »Aber sagen Sie bloß meinem Bischof nichts da13 Die für viele Außenstehende unverständliche Unterscheidung ist ein gutes Beispiel, wie streng die Amish ihre Grenzen ziehen: Inline-Skates gelten als moderne Verwandte von Roll-und Schlittschuhen, die ebenfalls erlaubt sind. »Rollerblading ist ein Mittelding zwischen ZuFuß-Gehen und Fahrradfahren«, erklärt der Amish-Experte Donald Kraybill in der New York Times. »Es ist ein ausgehandelter kultureller Kompromiss, es zu erlauben.« Bei den nach wie vor verbotenen Fahrrädern überwiegt dagegen die Angst, sie könnten den Radius ihrer Besitzer zu sehr vergrößern, so dass sich diese zu weit und zu oft von der Familie und der heimischen Kirchengemeinde entfernten.
    14 Tatsächlich führen solche Entscheidungen der Bischöfe über den Gebrauch von Technologien immer wieder zu Spaltungen der Kirche: Um 1920 löste sich rund ein Fünftel der Gemeinschaft als »New Order Amish« und erlaubte den Gebrauch von Haustelefonen, etwas später spalteten sich die »Beachy Amish« ab, die Automobile zur Benutzung freigaben. von!« Dann lacht er kurz und laut. So wie Graber geben sich immer mehr Amish der Versuchung hin: Früher verrieten ganz banal die Kabel der Telefonleitung, wenn sich jemand verbotenerweise einen Anschluss ins Haus legen ließ. Der Bischof ermahnte -und wer nicht gehorchte, wurde aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Heute genügt eine Kutschfahrt in die nächstgelegene Stadt und ein wenig Bargeld -und man kommt mit einem Telefon in der Tasche nach Hause. Und kein frommer Nachbar und kein Bischof muss davon erfahren. »Ich benutze es nur beruflich«, rechtfertigt

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