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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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auf diversen Kanälen fehlte. »Aber eigentlich schummelst du doch«, wendet Armin ein. »Deine Abwesenheitsmail, die jeder automatisch bekommt, der Dir schreibt -das ist doch auch Kommunikation.« Im Grunde hat er Recht. Aber ohne dieses kleine Hilfsmittel, in dem automatisch meine Festnetznummer und Postadresse mitgeteilt werden, könnte mich fast überhaupt niemand mehr erreichen. Denn meine Festnetznummer kannten vor dem Selbstversuch gerade mal eine Handvoll Verwandter und enger Freunde. »Das ist auch wieder richtig«, lenkt Armin ein. »So geht es inzwischen fast allen. Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass es Menschen -selbst wenn es Freunde sind und man ihre private Festnetznummer besitzt zunehmend als unhöflich empfinden, wenn man sie zuhause anruft.«
    Mir ist in der letzten Zeit auch aufgefallen, dass der private Festnetzanschluss, der früher der einzige und dank Telefonbuch der öffentlichste war, mittlerweile so etwas wie ein reservierter Kanal für Privatangelegenheiten wie den Wochenendanruf der Eltern oder die abendlichen Gutenachtgespräche von Liebenden ist, die noch nicht dieselbe Wohnung teilen. »Woher hast du denn meine Festnetznummer?« kommt oft als erste Frage, wenn man jemanden auf dem heimischen Apparat statt auf dem Handy anruft. So als sei der Angerufene in seinen eigenen vier Wänden ein Prominenter, dessen Geheimnummer nur einem ausgewählten Kreis von Insidern bekannt sein dürfte.
    »Früher war das umgekehrt«, erinnert sich Armin, als unsere Pasta endlich kommt. »Als sich vor zehn Jahren jeder ein Handy zulegte, hat man sich eher noch gescheut, jemandem seine Mobilnummer zu geben. Heute kriegt jeder unsere Handynummer -aber zuhause, da wollen wir bitte nicht belästigt werden.« Der Trend weg vom »Festnetz«, das ja auch erst so heißen muss, seit es nicht mehr einfach »das Telefon« ist, hin zum Handy ist eindeutig. Er zeigt sich auch daran, dass laut Statistischem Bundesamt inzwischen schon jeder zehnte Haushalt über gar keinen klassischen Telefonanschluss mehr verfügt, sondern nur noch per Handy kommuniziert. In den untersten Einkommensschichten sollen sogar 25 Prozent ganz auf den Festnetzanschluss verzichten. Am höchsten ist die Mobilfunkquote bei Menschen unter 25: Sie verzichten zu 35 Prozent auf den einst »normalen« Telefonanschluss. Das spürt vor allem die Deutsche Telekom: Nahm sie vor zehn Jahren noch 16 Milliarden Euro durch Gesprächsgebühren im Festnetz ein, sind es gegenwärtig nur noch 1,7 Milliarden pro Jahr. Kein Wunder, dass allein in den letzten drei Jahren 30000 Arbeitsplätze gestrichen wurden.
    »Vielleicht sollte jeder einen Monat im Jahr auf sein Handy verzichten und nur noch per Festnetz telefonieren«, schlage ich vor. »Der Solidaritätsmonat für Telekom-Mitarbeiter nach dem Motto: Subventionen von unten.« Armin sieht kurz von der Nachtisch-Sektion der Speisekarte auf: »Kannst ja eine entsprechende Facebook-Gruppe gründen«, sagt er.
    Die Schreibmaschine und »der Geckl«
    Wir sitzen noch eine Weile zusammen und erinnern uns daran, wie Computer und Internet in den letzten 15 Jahren unseren gemeinsamen Beruf, den Journalismus, verändert haben. Wie zwei alte Männer, die vom Krieg erzählen, hören wir uns an. Ich erinnere mich an die Schreibmaschine, auf der ich meine ersten Artikel für die Lokalzeitung auf spezielles Papier mit der eingezeichneten Spaltenbreite tippte, die Seiten anschließend in die Redaktion brachte, wo sie von zwei fülligen Damen in der »Erfassung« in das dortige Computersystem getippt wurden. Armin kontert damit, dass er sich Mitte der Neunziger von seinem heimtückischen Cousin einen Computer andrehen ließ, der als Speichermedien nur über die großen, biegsamen Floppydisks verfügte, die bereits seit Jahren überholt waren. Da er keinen Drucker besaß, musste er jeden Text, den er in diesen Jahren verfasste, mit dem Fahrrad zu dem türkischen Copyshop im Münchner Bahnhofsviertel bringen, dem einzigen weit und breit, der den Inhalt der etwa 15 Zentimeter großen Floppydisks noch ausdrucken konnte. Und wir erinnern uns gemeinsam an »den Oeckl«, jenen kleinen Buchquader, der in jeder ernstzunehmenden Redaktion auf den Schreibtischen stand und in dem alle offiziellen Telefon-und Faxnummern verzeichnet waren -vom Forstwirtschaftsamt Sektion Spessart bis zum Bundesverteidigungsministerium. Wer uns zuhört, könnte meinen, dass da zwei frisch pensionierte Greise sitzen, die ihr gesamtes Leben Revue passieren

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