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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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abgefahren ist und sich deshalb rote Armbändchen umgebunden hat. Deshalb belasse ich es vorsichtshalber bei einem stummen Nicken. »In der Kaballah steht, dass jeder Jude am Sabbat eine zusätzliche Seele bekommt«, sagt Ehrenberg und fährt mit einem Schmunzeln fort. »Der Heilige gibt sie dem Menschen am Vorabend des Sabbats, und am Ende des Sabbats nimmt er sie ihm wieder. Manche gelehrten Kommentatoren haben versucht, damit zu begründen, warum man am Sabbat so viel Appetit hat.«
    Dann wird der Rabbiner wieder ernst: »Für uns Juden stellt sich nicht die Frage, warum wir am Sabbat keinen Computer benutzen sollen. Es ist so festgelegt: keine elektrischen Geräte! Das reicht als Begründung. Ich glaube aber, dass es jedem Menschen guttut, egal welchem Glauben er angehört, einen Tag in der Woche Abstand zu gewinnen von der Arbeit, den Pflichten und den Alltagssorgen.«
    Sein Mobiltelefon klingelt. Als er den Anrufer mit einem warmen »Shalom« begrüßt, verschwindet das Wort fast in seinem üppigen weißen Bart. Nachdem er das Gespräch beendet hat, frage ich ihn, wie häufig er selbst das Internet benutzt. »Ich benutze es, außer am Sabbat, fast jeden Tag. Ich schreibe E-Mails mit Rabbinern in der ganzen Welt, ich lese Nachrichten aus Israel und informiere mich, was draußen so passiert«, sagt er. Und fügt mit einem gewissen Stolz hinzu: »Ich möchte in Zukunft auch selbst stärker im Internet aktiv werden und zum Beispiel Lehrvideos über die Torah und den jüdischen Glauben anbieten. Das gibt es auf Deutsch bisher noch nicht, und es ist ein guter Weg, unsere verstreute Gemeinde zu erreichen.«
    Die Kerne des Granatapfels
    Nicht alle sind so aufgeschlossen wie Ehrenberg: Einige ultraorthodoxe Juden lehnen das Internet komplett ab, da es den Geist verderbe und zu viele weltliche Unanständigkeiten ins Haus bringe. Deshalb fordern eil!ige Rabbis von ihrer Gemeinde, jenseits des Berufs gänzlich auf das Internet zu verzichten oder spezielle Filtersoftware zu verwenden. Diese sperrt nicht den Zugang zu obszönem Material, wie es die Filter von Kindersicherungen tun, sondern erlaubt nur den Zugang auf eine Positivliste vorab ausgewählter Seiten: In dieser koscheren Version des Internets sind Webseiten wie torah.net für das Studium religiöser Texte oder Foren wie »Ask the Rabbi« erlaubt. Alles andere -von bild.de mit seinen »Sexel-Prinzen« bis zu zockerparadies.de für die abendliche Pokerpartie -wird geblockt. Ehrenberg versucht es ohne Verbote und Filtervorschriften, fürchtet aber auch die Versuchungen, die in der digitalen Welt lauem: »Es gibt gute Orte im Internet, die der Bildung dienen, und es gibt schlechte Orte, an denen Kinder ihre Seele kaputtmachen können. Und wir sind alle große Kinder. Wir sind schwach und brauchen viel Disziplin, um auf der Autobahn nicht falsch abzubiegen.« Einweiteres wichtiges Konzept in der jüdischen Lehre ist das Verbot der Zeitverschwendung. Es ist die Pflicht der Gläubigen, ihre Zeit sinnvoll zu nutzen -zum Studium der Torah, um den Nachbarn zu helfen, um Sport zu treiben, aber auch um zu essen. »Ich komme gerade von einer Beerdigung«, verrät der Rabbiner, »wo ich über den Sinn des Lebens gesprochen habe. Jede Minute ist eine Welt -und die Torah gebietet, keine Minute zu vergeuden. Wir sollen unser Leben für gute Sachen verwenden.«
    Eine ganz schön strenge Vorgabe -vor allem in einer Welt, in der man nach jedem Youtube-Video verführerisch gefragt wird, ob man nicht noch ein Dutzend »ähnliche Videos« ansehen will. Und in der Wikipedia-Artikel über die Geschichte des Eishockeys oder über mobile Kernkraftwerke auf ein Dutzend anderer, nicht minder skurrile Artikel verlinken. »Man muss das Internet handhaben wie einen Granatapfel«, gibt mir der Rabbiner zum Abschied mit auf den Weg. »Man muss die guten, süßen Kerne herausholen und die unnütze Schale wegwerfen.«
    Als ich zurück zur U-Bahn-Station stapfe, reifen in mir zwei Entschlüsse: Ich werde versuchen, nach dem Ende meines Selbstversuchs eine Art Internet-Sabbat beizubehalten. Und ich werde versuchen, mehr Essensmetaphern in meinen Texten und Gesprächen zu verwenden.
    Tag 27 Warum wir so gerne suchen
    Jessica hat morgen Geburtstag. Ich wusste schon relativ lange, dass ich ihr einen Holzschlitten schenken wollte, da wir bei einern Urlaub in Vorarlberg unsere Liebe zu halsbrecherischen Rodelpartien entdeckt haben. Doch wo bekommt man so ein Ding her? Spielwarengeschäfte haben nur welche

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