Ich bin dann mal offline
für Kinder, die großen Kaufhäuser nur hässliche Plastikbobs. Als ich Freunde um Rat frage, lautet die Standardantwort: »Ich wüsste auch gerne, wo es die gibt! Wenn du einen schönen siehst, kauf mir am besten auch gleich einen!«
Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass das Internet geradezu überquillt mit Seiten, auf denen formschöne, hochwertige Holzschlitten zu unverschämt günstigen Preisen angeboten und frei Haus geliefert werden. Ich bin kutz davor, einen der Freunde, die selbst heiß auf ein solches Gefahrt sind, mit einer Internetbestellung zu beauftragen. Sicher, das wäre gemogelt -aber wenn ich nicht wegen eines Geburtstagsgeschenks für die Frau an meiner Seite kurz vorn Pfad der Offline-Tugend abweichen darf
-wofür denn bitte dann? Ich komme gerade von dem erfolglosen Versuch zurück, in einem Baumarkt einen Schlitten zu erwerben, als ich zwei Schaufenster neben unserer Haustür das perfekte Holzmodell in der Auslage eines Outdoor-und Campingladens entdecke. »Sagen Sie nicht, der sei nur Dekoration«, überfalle ich den freundlich, aber leicht bekifft wirkenden Verkäufer. Als er begriffen hat, wovon ich rede, fängt er an, den Schlitten in den höchsten Tönen zu preisen: Handarbeit! Erzgebirge!
Zwei Personen! Erstklassige Verarbeitung! Dabei bin ich schon längst überzeugt. Stolz trage ich meine Beute nach Hause. Wenn es sich bei dem Schlitten wirklich um ein handgefertigtes Meisterwerk aus dem Erzgebirge handelt, wird das gute Stück nächsten Winter sicher für den dreifachen Preis im Manufactum-Katalog angeboten.
Einzig die Verpackung gestaltet sich ein bisschen schwierig. Eine Rolle Packpapier und mehrere Rollen Tesafilm später ist der Holzbock zwar komplett verhüllt, aber an seiner Form erkennt man sofort, dass es sich um einen Schlitten handelt. Ich grinse trotzdem selig. Warum ist es eigentlich so wichtig, Geschenke zu verpacken, frage ich mich und ziehe den Christo-Schlitten hinter mir her ins Wohnzimmer. Bestimmt hat es auch etwas mit Tradition oder Aberglauben zu tun, mit bösen Geistern, die von der Geschenkverpackung davon abgehalten werden, sich in dem Schlitten, dem Spielzeugroboter oder den Socken für Papa einzunisten.
Unser Gehirn auf Google
Mir fällt aber noch eine andere Möglichkeit ein, woher das beliebte Verpackungsritual stammen könnte: Ich habe in den letzten Tagen darüber gelesen, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir am Computer sitzen und zum Beispiel etwas in die Google-Suchmaske eintippen. Wahrscheinlich am wichtigsten: Dopamin wird ausgeschüttet. Jener Botenstoff, der gerne als »Glückshormon« bezeichnet wird und unter anderem für Antrieb, Wohlbefinden und Lebensfreude verantwortlich ist. Die Erwartung von etwas Neuem, das Auffinden von etwas Unerwartetem -all das erhöht unseren Dopaminspiegel. Dass Suchen das menschliche Gehirn stimuliert, stellte der Psychologieprofessor James Olds schon 1954 fest. Der Stanford-Psychologe und Neurowissenschaftler Brian Knutson behauptet sogar, die Aussicht auf Erfolg sei stimulierender als der Erfolg selbst. Worin ihm nicht nur die angestaubte Redewendung »Vorfreude ist die schönste Freude« Recht gibt, sondern was auch eine plausible Erklärung wäre, warum wir irgend wann anfingen, Geschenke zu verpacken. Um die Freude über die Gabe selbst noch zu steigern, indem wir es hinter Papier verstecken und somit sowohl die Vorfreude als auch die Überraschung erhöhen.
Doch noch einmal zurück zur Google-Suche und wie sie unseren Dopamin-Spiegel erhöht. Kokain und diverse andere Drogen tun das im Übrigen auch, weswegen Dopamin bei manchen einen schlechten Ruf hat. Zu Unrecht, denn Dopamin ist zunächst ein ganz harmloser und lebenswichtiger Neurotransmitter -wenn wir dauerhaft zu wenig davon haben, erkranken wir beispielsweise an Parkinson. Trotzdem ist unser Verhältnis zu Dopamin nicht ungetrübt. Denn da es uns -vereinfacht gesagt
-schnell und unkompliziert gute Laune macht, wollen wir natürlich stets mehr davon. Und über das sogenannte Belohnungszentrum in unserem Gehirn, bekommen wir schnell ein Gespür dafür, auf welchen Wegen wir uns den erwünschten Dopamin-Kick holen können. Tun wir das zu unkontrolliert, entsteht ein Suchtverhalten -sei es nach Drogen, nach Sex oder nach Mai!oder SMS-Nachrich-ten. Der Psychologieprofessor Kent Berridge von der University of Michigan glaubt, dass jedes Piepen, Klingeln oder Brummen einer eintreffenden Nachricht das Versprechen einer solchen Belohnung ist, auf die
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