Ich bin dann mal offline
ihren Kindern das Videospiel verbieten, aber während sie das Verbot aussprechen, selbst auf ihrem Blackberry herumdrücken?
Als ich in Bonn ankomme, ist meine Laune aufgrund des Horrorartikels nicht gerade auf dem Höhepunkt. Ich begebe mich auf die Suche nach einem Hotel-den Satz »Fahren Sie doch einfach hin, da finden Sie immer was!« aus dem Reisebüro noch im Ohr. Doch auch wenn Bonn seit Ewigkeiten nicht mehr Bundeshauptstadt ist und die Innenstadt an diesem Dienstagabend wie ausgestorben wirkt
-überall erhalte ich dieselbe Antwort: Wir sind schon voll. Es fängt an zu regnen und langsam wird mir mulmig. Sicher, irgendwo in den Außenbezirken wird es schon noch ein Kämmerchen geben aber mein Plan, zu Fuß von Hotel zu Hotel zu laufen und zu fragen, wird immer brüchiger, je weiter ich mich aus den schmalen Straßen der Innenstadt entferne. Wie ein Leuchtturm taucht plötzlich ein Wegweiser mit dem Hinweis »Touristeninformation« auf. Mein ganzes Leben lang habe ich solche Orte gemieden. Wollte nie »Tourist« sein, immer nur Reisender. Touristeninformationen waren was für Rentner, die bewaffnet mit Baedeker-Reiseführern dort Infoblätter und Rabattcoupons für das örtliche Spielzeugmuseum abgriffen. So zumindest das Feindbild meiner Jugend. Heute bin ich jedoch versucht, der bunt gekleideten fülligen Dame hinter dem Tresen um den Hals zu fallen. Denn sie schafft es nach diversen Telefonaten, mir noch ein Zimmer in Laufnähe zu verschaffen. »Ist aber etwas klein«, warnt sie mich. Ist mir völlig egal. Ich singe ein Loblied auf die Bonner Touristeninformation. Als ich später in einer teuren, überheizten Schuhschachtel versuche, Schlaf zu finden, höre ich auf zu singen, aber wirklich ärgern kann ich mich auch nicht. Vielleicht hätte ich ja auch genau dieses Zimmer gebucht, wenn ich im Internet auf Schnäppchenjagd gegangen wäre. Und hätte mich anschließend beschwert: »Auf der Webseite sahen die Zimmer aber viel größer aus.«
Tag 33 Im größten Post-Kasten Deutschlands
Das »Innovation Center« der Deutschen Post DHL steht eine Viertelstunde außerhalb von Bonn auf der grünen Wiese, die heute aufgrund des tristen Wetters leider bestenfalls einen Preis als graue Wie-se bekommen würde. Ebenso wie die Telefonzellenbauer durch die Erfindung des Handys oder die Farbfilmhersteller durch die Erfindung der Digitalkamera unter Druck geraten sind, vermute ich, geht es auch der guten alten Post nicht mehr allzu gut. In Zeiten, in denen selbst mein Vater E-Mails schreibt und die 104-jährige Britin Ivy Bean aus ihrem Altenheim in Bradford vergnügt twittert, statt handschriftliche Grußkarten zu verschicken, werden die Nachrichten, auf die man noch eine Briefmarke kleben muss, um sie zu übermitteln, Blatt für Blatt weniger: In den letzten sieben Jahren ist die Zahl der mit der Deutschen Post verschickten Briefe von 9,2 auf 8 Milliarden gefalle n.26 An dem Rückgang von rund 13 Prozent sind sicherlich auch die Liberalisierung des Briefwesens Anfang 2008
und neue Dienstleister wie PIN oder TNT mit Schuld. Doch auch die Zahl privater Briefe, die sicherlich noch seltener über neue Brieffirmen verschickt werden als Firmenpost, ist seit 2002 von 1,5 Milliarden auf 1,3 Milliarden gesunken -also ebenfalls um rund 13 Prozent. Globale Warenströme statt privater Briefwechsel
Doch die gelbe Post ist schon längst nicht mehr nur für das Versenden von Geburtstagsgrüßen und Liebesbriefen zuständig, sondern spätestens durch den Kauf des US-Konzerns DHL im Jahr 2002 der größte Logistikkonzern der Welt -durch dessen Hände insgesamt rund 1,5 Milliarden Sendungen pro Jahr gehen. Keith Ulrich, Leiter des Technologie-und Innovationsmanagements, führt mich durch das 3600 Quadratmeter große Forschungszentrum, das der Konzern hier in Troisdorf vor drei Jahren eröffnet hat. Der Manager zeigt mir RFID-Funkchips, die in Containern oder Paketen angebracht nicht nur permanent ihre genaue Position übermitteln können, sondern auch bei heiklen Sendungen zu große Temperaturschwankungen oder Erschütterungen melden können. Wer empfindliche Kunstwerke von einem Museum ins andere oder von seinem Landhaus in die Stadtwohnung transportieren möchte, kann Werte wie die Luftfeuchtigkeit im Container vom heimischen Computer aus in Echtzeit mitverfolgen. Ich staune auch über eine neue Navigationstechnologie, die bei der Paketauslieferung die ideale Route für Lieferwagen auch nach akutem Verkehrsaufkommen und aktueller
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