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Ich bin dann mal offline

Ich bin dann mal offline

Titel: Ich bin dann mal offline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Koch
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denen anderer klassischer Abhängigkeiten sehr ähnlich -beispielsweise der mehrfach vergeblich durchgeführte Versuch, den Konsum zu reduzieren. Negative Konsequenzen für Beruf, Schule, Gesundheitszustand oder Partnerschaft. Entzugserscheinungen. Immerhin letzteres habe ich aufzuweisen und erzähle von meinen Kopfschmerzen ZU Beginn meines Internetentzugs.
    »Unruhe und Schlafstörungen sind häufigere Symptome«, sagt der Psychologe, »aber auch Kopfschmerzen oder Depressionen kommen vor. Aber denken Sie daran: Das Internet alleine kann kein 25 LOL steht für "Laughing out loud«, also lautes Lachen, und signalisiert amüsierte Zustimmung. Gleichzeitig signalisiert es nicht unbedingt Niveau -es ist gewissermaßen das digitale Schenkelklopfen. Suchtverhalten auslösen -allerdings ist das Risiko eines Kontrollverlusts höher, weil es so allgegenwärtig ist.«
    Bevor ich mich mit dem guten Gefühl verabschiede, dass es in Sachen Internetsucht so schlimm nicht um mich bestellt sein kann -immerhin bin ich schon über einen Monat clean -frage ich nach den Erfolgsquoten der Therapie. »Für repräsentative Zahlen gibt es uns noch nicht lange genug«, antwortet Kai Müller. »Aber bei unseren bisherigen Patienten ist die Erfolgsquote sehr gut -auch wenn wir natürlich bei jedem einzelnen am Ball bleiben können.«
    Internet-Entzug in China
    Im Zug nach Bonn lese ich einen Artikel im Technologie-Magazin »Wired«, in dem es um Internetabhängige in China geht-und um die grausamen Methoden, mit denen diese entwöhnt werden sollen. In den letzten zwölf Jahren ist Zahl der Internetnutzer in China von einer halben auf Millionen gestiegen, das Land ist damit die größte und schnellsten wachsende Online-Gemeinschaft weltweit. Monat werden 700000 neue Breitbandanschlüsse aber immer wieder dringen Gruselgeschichten auch nach Deutschland, die von Todesfällen nach tagelangen erzählen, von Kindern, die ihre Eltern umbringen, weil diese sie vom Computer fernhalten wollten. So begründet in manchen Fällen die Angst vor einer Internetsucht auch sein mag, in China muss es in den letzten Jahren eine richtiggehende Hysterie gegeben haben. Diese führte dazu, dass Hunderte von inoffiziellen, unkontrollierten Camps eröffneten, häufig in alten Gefängnisgebäuden oder stillgelegten Kasernen. Dort sollen Jugendliche mit einer unausgegorenen Mischung aus Antidepressiva, Elektroschocks und Gewaltmärschen von ihrer angeblichen Sucht geheilt werden. In den meisten Fällen, so der schockierende Artikel, sind die Betreiber solcher Camps in keiner Weise ausgebildet, verlangen aber horrende Summen -oft das Doppelte eines durchschnittlichen Monatslohns. Erst als es Ende 2008 zu einer Reihe von Todesfällen durch prügelnde Wärter in den Camps kam, wurde die Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam und Forderungen nach einer strengeren Regulierung und Überprüfung der Camps laut. Trotzdem soll es noch zwischen 300 bis 400 »Internet-Entwöhnungslager« im gesamten Land geben. Ich betrachte das Foto von Deng Senshan, einem der Opfer. Das Bild stammt von einem Badeausflug mit seiner Familie, er hat ein Handtuch um seine Schultern geschlungen. Er sieht nicht sehr fröhlich aus -vielleicht, weil er schon weiß, dass ihn seine Eltern am folgenden Tag in das Camp abschieben werden. Wie schmal der Grad zwischen gerechtfertigter Fürsorge und kopfloser Hysterie sein kann. Welche Eltern würden sich keine Sorgen machen, wenn ihr Kind immer mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringt und mit immer schlechteren Noten nach Hause kommt? Andererseits: Welcher Jugendliche hat nicht eine Phase, in der ihm Schule und Freunde auf die Nerven gehen und er sich in eine andere Welt flüchtet -seien es Reiterhofromane, Popmusik, eine Fernsehserie oder ein OnlineComputerspiel?
    Panik und Verbote, da bin ich mir sicher, helfen genauso wenig weiter wie zu verschweigen, dass ein Problem existiert. Dass es Menschen gibt, die Hilfe brauchen, um nicht unter die digitalen Räder zu geraten. Und das Beste, was eine Gesellschaft tun kann, um beide Extreme zu vermeiden, ist offen darüber zu sprechen. Eltern mit ihren Kindern, Kinder mit ihren Lehrern, aber auch Beziehungspartner und Freunde untereinander. Wie viel Zeit muss ich und wie viel Zeit will ich im Internet verbringen? Schmeckt das Essen besser, wenn jeder nebenbei auf ein kleines Gerät starrt? Welche Regeln lohnt es sich, zu vereinbaren -und welche lassen sich auch durchhalten? Warum ist es heuchlerisch, wenn Eltern

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