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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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als heute kann es allerdings nicht mehr kommen!
    Erkenntnis des Tages:
    Auch Geisterbahnen können durchpilgert werden.

12. Juli 2001 – La Faba und O Cebreiro
     
    Heute sind wir auch recht früh auf den Beinen, denn das refugio muss jeder Pilger um acht verlassen, und da der Weg schlimm sein soll, wollen wir ihn ganz ganz schnell hinter uns bringen. Sheelagh wäre stolz auf uns!
    Zum vereinbarten Treffpunkt ist sie gestern nicht erschienen. Ein Telefon hat sie nicht dabei. Also können wir bis auf weiteres keinen Kontakt zu ihr aufnehmen. Die finden wir schon wieder!
    Es geht rauf in Richtung O Cebreiro in Galicien auf knapp 1300 Höhenmetern. Da es der steilste und längste Anstieg des Caminos von sage und schreibe elf Kilometern ist, wird den Pilgern dringend empfohlen, ihre Rucksäcke von einem Taxiservice befördern zu lassen. Allerdings konnten wir gestern in Vega weit und breit keinen derartigen Dienst mehr ausfindig machen, unsere Vermieterin war ratlos und auch heute Morgen, trotz viel Hin- und Herlauferei in der Bauernschaft, lässt sich niemand hervorzaubern, der den Transport unserer zwanzig bleiernen Kilo übernimmt. Also steht irgendwann fest: elf Kilometer steil nach oben und das bei vorhergesagten vierzig Grad im Schatten mit Rucksack! Aus purer Ratlosigkeit lassen wir den Tag dann doch wieder gaaanz langsam angehen. Erst um zehn Uhr nehmen Anne und ich unser ausgiebiges Frühstück vor einer Kneipe in dem Dörfchen zu uns. Neben uns sitzt eine hektische, spindeldürre Spanierin, die sich humpelnd einen Kaffee nach dem anderen aus der Bar besorgt und uns dann nervös anquatscht. Sie erzählt uns, dass sie auf ihr Taxi warte, das ihren Rucksack auf den Gipfel befördern solle. Ob sie sich darauf verlassen könne und was wir meinten, ob der Typ wohl noch käme, denn sie habe schon bezahlt! Anne und ich sind ganz Ohr.
    Sie hätte ihren Rucksack bereits um sechs Uhr in der Bar abliefern sollen und hatte am Abend zuvor schon alles bezahlt. Heute Morgen hat sie allerdings verschlafen und nun macht der Fahrer für sie eine seltene Ausnahme und fährt nur ihren Rucksack hinauf. Eigentlich rentiert sich so eine Einzelfahrt für ihn nicht, aber da die Dame schon bezahlt hatte, tut er es doch. Sie hat sich entschlossen, da sie kaum noch laufen kann, selbst auch mit dem Taxi raufzufahren. »Die Knie, wissen Sie, wegen der Abstiege!«
    Ein paar Minuten später taucht der Fahrer samt Jeep tatsächlich auf und ist natürlich mehr als gerne bereit, auch unsere Rucksäcke für ein paar Mark pro Nase auf den Gipfel zu fahren. Bei der Gelegenheit will ich auch gleich von ihm wissen, wie es denn oben mit Übernachtungsmöglichkeiten aussehe?
    »Oh Gott, oh Gott, da müssen Sie aber reservieren. Hunderte von Pilgern sind heute auf dem Weg da oben rauf und es gibt nur zwei kleine Herbergen. Die meisten Pilger werden dann gezwungen sein, fünfzehn Kilometer weiterzuwandern, und Alto do Poio liegt noch höher als O Cebreiro.« Also bitten wir ihn, schleunigst telefonisch ein Doppelzimmer mit der Möglichkeit, ein drittes Bett darin aufzustellen, in einem der kleinen albergues zu reservieren. Er telefoniert und in dem netteren der beiden albergues ist exakt noch ein Zimmer frei. Schwein gehabt und unsere Rucksäcke nimmt er auch noch mit rauf!
    Beflügelt und wahrlich erleichtert machen wir uns auf den von tiefen Fußabdrücken durchpflügten weichen Pfad und der steile Anstieg ist in der Tat mit den Worten »sehr, sehr beschwerlich« immer noch unzureichend beschrieben. Die brütende Hitze und die immer dünner werdende Luft machen das Unternehmen umso komplizierter und zudem muss man sich bei aller Leichtigkeit dann doch auch an das Laufen ohne das Gewicht des Rucksacks erst wieder gewöhnen.
    Der schwere Boden ist lehmig und die Füße finden kaum Halt. Mit dem Rucksack hätte ich das nie im Leben geschafft und selbst mit meinem Stock ist es schwierig, hier raufzukommen. Der Lehm klebt an den Schuhen und das Gewicht der Schuhe verdoppelt sich im Viertelstundentakt. Auf dem Weg begegnen wir an jeder Gabelung entkräfteten Pilgern, die sich vor Erschöpfung einfach unter die Büsche auf die feuchte Erde gelegt haben und auf bessere Zeiten warten. Nach fünf Kilometern »Camino duro« sitzen zwei ältere Däninnen puterrot und heulend in einem Graben; die beiden haben resigniert beschlossen: Nichts geht mehr. Sie sind nicht mal mehr in der Lage, aus eigener Kraft wieder aufzustehen, und sie wollen es auch gar nicht

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