Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
Vom Netzwerk:
wieder ihr Gesicht verknautscht, ergreife ich die Initiative und erkläre Sheelagh ganz vorsichtig, dass ihrer Schilderung nach der Freund für mich eindeutig »gay« sei, und ob sie ihn das schon mal gefragt habe? Sheelagh schaut mich verwirrt an: »Meinst du wirklich!?« Anne schaltet sich ein, um meine Ansicht zu bestätigen, und rät Sheelagh, ihn offen darauf anzusprechen. »Es scheint mir ganz klar, der ist schwul und will nur spielen«, beende ich meinen Kommentar.
    Und dann will Anne sich plötzlich ein Haus kaufen! Wir sind durchgeknallt, ich sage es ja!
    Als wir durch eine englisch anmutende Bauernschaft pilgern, laufen wir an einem kleinen, sehr verwahrlosten Bauernhaus vorbei, das für umgerechnet zwanzigtausend Mark zum Verkauf steht. Anne ist vollkommen hin und weg von der abrissreifen Hütte und wild entschlossen, sie zu erwerben. Also durchforsten wir jeden Winkel in dem Kaff, um den Besitzer ausfindig zu machen. Anne ist es ernst. Sie lässt sich von uns auch nicht mehr von dem abstrusen Gedanken abbringen. Sie will aussteigen, hierherziehen, ein albergue aufmachen und bleiben. Für immer!
    »Anne, du willst kein Haus kaufen, du willst nur nicht in Santiago ankommen! Du hast Angst davor!«, fordere ich sie heraus. Anne schweigt vieldeutig und Sheelagh kiekst: »Ich auch!«
    Natürlich haben wir alle drei Furcht vor dem Ankommen, denn wir sind durch und durch zu Pilgern geworden und das könnte ruhig ewig so weitergehen. Wenn wir am Ziel sind, ist es einfach vorbei; das Wesen des Pilgerns ist nun einmal der Weg.
    Die nordenglische Immobilieninvestorin hegt plötzlich kein Interesse mehr an dem Hauskauf. »Let’s go to Santiago!«, treibt sie uns an. Keiner von uns traut sich, laut vernehmbar vor den anderen zuzugeben, wie eng unsere geknüpften Bande bereits sind, und dass es sehr schmerzhaft wird, sie zu zerreißen. Der Abschied in Santiago wird zweifellos schwer. Wir drei fühlen uns, als stünde uns unser Tod bevor, und durch die von Tausenden von Fliegen belagerten Dunghaufen stinkt es ja auch bereits süßlich nach Verwesung.
    Erst kurz vor Sonnenuntergang beginnen wir in einer romantischen Gegend viel zu spät mit der Zimmersuche und die gestaltet sich wie erwartet schwer. Alles ist ausgebucht. In einer Telefonzelle in dem Örtchen Castañeda durchforsten wir hektisch ein Telefonbuch nach Bed & Breakfast und siehe da, das Zauberwort heißt »Casa Millia«! Sheelagh und Anne verdonnern mich dazu, dort anzurufen, was ich auch gerne tue, aber als am anderen Ende der Leitung eine robuste Frauenstimme in Gallego antwortet, bin ich nach wenigen Sätzen überfordert. Mehrmals bitte ich die Frau verzweifelt, langsam in Spanisch mit mir zu sprechen. Die jedoch plappert schnell weiter irgendeinen Kram in Gallego. Das Einzige, was ich begreife, ist, dass sie Zimmer vermietet, aber das wusste ich ja bereits vor dem Telefonat und das war ja der Grund meines Anrufes. Reichlich genervt zerre ich Anne zurück in die Telefonzelle und drücke ihr den Hörer mit der Bemerkung: »Hier! Ich verstehe kein Wort! Mach du das!«, in die Hand. Anne debattiert daraufhin die Augen verdrehend hin und her. Die erfahrene englische Krisenmanagerin verlässt die Telefonzelle jedoch alsbald strahlend mit einer Zimmerreservierung! Leider hat Anne die entscheidende Information, nämlich die Wegbeschreibung zum Haus, überhaupt nicht verstanden und so irren wir noch ein gutes Stündchen durch die Gegend.
    Als wir das wunderschöne Landhaus am Berghang endlich finden, tritt die dralle, in ein viel zu enges buntes Kleid geschnürte Besitzerin frisch onduliert vor die Tür. Geschäftsangelegenheiten regelt man in Galicien anscheinend unter Männern, denn sie quatscht in ihrem unverständlichen Heimatdialekt ausschließlich auf mich ein. Anne wird von ihr nur als Übersetzerin geduldet. Mit welcher der Damen ich denn verheiratet sei, will sie eindringlich von mir wissen, und da Anne gerade wieder mal verknautscht guckt, deute ich mit dem Finger auf die verprügelte Sheelagh. Das scheint der Frau zu gefallen, denn sie nimmt vermutlich an, dass ich, so wie es sich gehört, in der Beziehung den Ton überdeutlich angebe.
    Für einen echten Spottpreis überlässt sie uns, so verstehe ich es zumindest, ein Zimmer ihres Privatdomizils. Danach beginnt sie unaufgefordert mit einer ausgiebigen Hausführung und zeigt uns jeden der liebevoll restaurierten Räume in beiden Stockwerken, die alle mit hellen antiken Bauernmöbeln ausgestattet

Weitere Kostenlose Bücher