Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
Vom Netzwerk:
Desinfektionsspray und sterilen Feuchttüchern reinige. Ihre Knie sind richtig schwer verletzt und das Säubern der Wunden, das ich auf Sheelaghs Wunsch hin etwas radikaler durchführe, muss höllisch wehtun. Die stolze Sheelagh schreit nicht vor Schmerz, sondern krallt sich an meinen Unterarm.
    Mit Pflastern aus meiner kleinen Notfallapotheke versuche ich die Blutungen zu stoppen. Sheelagh steht nach der Verarztung tapfer wieder von alleine auf und humpelt auf mich gestützt weiter. Der Situation völlig unangemessen fängt sie laut an zu lachen und wiederholt ständig, was für ein verhexter Tag das sei und dass sie überhaupt nicht verstehe, wie das passieren konnte.
    Nach mehreren, für Sheelagh schier endlosen Kilometern erreichen wir am Ende des Waldes auf einer Lichtung eine kleine Schänke. Vor dem windschiefen Häuschen auf der Terrasse flattert im Wind eine kleine schwarze Hexenpuppe, die auf einem Besen reitet. Im Wintergarten des Gastraums lege ich Sheelaghs Beine hoch und bestelle bei der jungen Kellnerin zwei Milchkaffee, etwas Warmes zu essen und einen doppelten Cognac für Sheelagh.
    Aufgebracht rennt die Frau in die Küche und heraus stürzt mit den Händen über dem Kopf die Chefin des Hauses, eine ältere Argentinierin, direkt auf Sheelagh zu und schreit: »Oh Gott, ist schon wieder was passiert? Was ist denn heute?«
    Ich erkläre ihr: »Meine Freundin ist gestürzt, aber so schlimm ist es wohl nicht, es geht ihr schon besser.«
    Die Argentinierin holt aufgeregt aus: »Andauernd fallen sie hin, die Leute. Wissen Sie, dieses Tal aus dem Sie da kommen... ist verhext. Das ist die Valle de las Brujas, das Tal der Hexen. Solche Dinge passieren hier ständig. Leute stürzen, kriegen Panikattacken oder irren über Stunden durch den Wald.«
    Sheelagh ist aber fast wieder die Alte und trinkt sanft lächelnd ihren Cognac.
    Einige Kilometer vor Portomarín treffen wir wieder auf Anne, die unter einem Baum vor sich hindöst. Als sie die verletzte Sheelagh entdeckt, wird Anne bleich vor Entsetzen und fragt: »Oh no, Sheelagh! Wer hat dich denn verhauen?« In der Tat sieht Sheelagh so aus, als sei sie in einer Hafenkneipe in eine üble Schlägerei verwickelt worden. Daran ändert auch ihre große Sonnenbrille nichts.
    Während einer kurzen gemeinsamen Pause unter der Eiche berichten wir Anne vom Tal der Hexen und sie zögert einen Moment, bevor sie uns gesteht, dass sie in dem hässlichen Wäldchen die ganze Zeit wahnsinnig nervös und aufgekratzt gewesen sei und sehr froh, als sie dort wieder herausgekommen sei.
    Gegen Abend erreichen wir das märchenhafte, an einem Stausee gelegene Portomarín. Der Ort, inklusive des spätromanischen Doms, wurde vor fast fünfzig Jahren vom mittlerweile überfluteten Tal auf einen Berg verpflanzt und dort liebevoll rekonstruiert.
    Das windige Örtchen, in dem Volkswandertagstimmung herrscht, ist überlaufen von Pilgern und erst nach geschlagener zweistündiger Suche finden wir unser »sauberes Drei-Leute-Zimmer mit Schauer« und sogar mit Balkon zum See. Da es sich um ein Vier-Sterne-Hotel handelt, übersteigt das zwar unseren geplanten finanziellen Horizont, aber wir legen zusammen und heute gönnen wir uns halt mal wieder etwas.
    Am Abend sparen wir ein wenig am Essen und erlauben uns günstiges Pilgerfleisch mit Pommes inclusive Nachtisch und lassen dabei den Tag Revue passieren. Meine holländische Geistergeschichte erzähle ich nicht mehr, aber irgendwann steht die durchgeknallte Rita stattdessen leibhaftig vor uns auf der kleinen Plaza.
    »Na, was machen die Geister?«, begrüße ich sie entspannt und sie hat doch glatt nichts Besseres zu tun, als Anne und Sheelagh den ganzen Driss vom Tage nochmal zu berichten. Anne verzieht ihr Gesicht wieder zu einem verknautschten Brokatkissen, während Sheelagh mit offenem Mund auf das hässliche Batikkopftuch der Holländerin starrt.
    Als sich die irre Rita an uns abreagiert hat und wieder geht, ohne auch nur mit einem Wörtchen auf Sheelaghs Verletzungen eingegangen zu sein, meint Anne nur, dass man mich einfach nicht alleine lassen könne, ohne dass ich danach die merkwürdigsten Typen anschleppen würde.
    Ein netter Ire namens Dave gesellt sich dann noch zu uns und macht der lädierten Sheelagh nach allen Regeln der Kunst den Hof. Anne und ich ziehen es daraufhin vor, uns irgendwann charmant zurückzuziehen, da Sheelagh den Avancen des Iren nicht abgeneigt zu sein scheint. Der trinkfeste Ire hält Sheelagh wahrscheinlich für

Weitere Kostenlose Bücher