Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Kabarett. Ob ich noch Interesse hätte? Allerdings würden nur die Hotelkosten übernommen!
Ich sage zu. Das ist meine erste richtige Chance! Ich bettele meine Oma an, mir die Reise zu ermöglichen. Sie tut es und obendrein schenkt sie mir noch hundert Mark.
Dreizehn Teilnehmer gehen im tief verschneiten Passau an den Start. Die Nummer 13 bin ich! Das wirtshausartige Theater ist gerammelt voll und die Luft geschwängert von Rauch und Weißbierdunst. Urwüchsig bayerisch halt! Zum ersten Mal werde ich hier auf einer richtigen Bühne stehen.
In der Jury sitzen der Direktor des Theaters, Sigrid Hardt, Theaterkritikerin der Münchner Abendzeitung , die Redakteurin vom Bayerischen Rundfunk, die mich für untalentiert hielt, und Ottfried Fischer, der damals in Bayern schon eine echte Größe ist, und noch irgendjemand Wichtiges.
Zwei Österreicher in schwarzen Rollkragenpullovern und Cordhosen betreten als Startnummer eins die Bühne. Sie sind bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten »Salzburger Stier«. Ein Feuerwerk der Wortakrobatik ergießt sich über die Bühne!
Sie sind brillant, beseelt und besessen! Kein Zweifel, ich schaue den Siegern zu! Dagegen bin ich chancenlos und einen zweiten Platz gibt es hier nicht!
Die Pointen sind scharf wie Chilischoten und der Saal und ich quietschen vollkommen zu Recht vor Vergnügen. Das ist so beeindruckend, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, meinen Auftritt abzusagen. Das schöne Geld meiner Oma, das ich sinnlos verflogen habe! Wie soll ich ihr das denn erklären, dass ich nicht mal aufgetreten bin? Also sage ich mir: Dabei sein ist alles!
Das Publikum lässt die beiden Salzburger nicht mehr von der Bühne und feiert sie vorab schon mal als Sieger. Die elf Acts, die nun folgen, schwanken zwischen mittelmäßig, bemüht, ganz nett und katastrophal. Der Abend beginnt sich in die Länge zu quälen.
Als Nummer zwölf geht eine bayerische Putzfrau an den Start. Keine Pointe zündet und sie verliert sich in ihrem schlecht auswendig gelernten Monolog. Die nicht mehr vorhandene Stimmung reißt sie auf den endgültigen Tiefpunkt. Das Publikum lässt sie eiskalt ohne Applaus von der Bühne gehen. Was für ein hartes Brot! Die Frau tut mir Leid.
Dann kommt die Nummer 13 an die Reihe. Ich bin so nervös, ich bekomme kaum noch Luft. In der Ansage entschuldigt sich der Veranstalter dann zu allem Überfluss auch noch dafür, dass ich überhaupt dabei bin, aber ich sei halt jung und man habe sich gedacht »Warum nicht?«
Im Geiste stelle ich mir eine Bombenansage vor und setze mich mit meinen Manuskripten an meinen kleinen, wackeligen Holztisch und halte mich daran fest. Nach den ersten abgelesenen Worten spüre ich: Ich bin in Form! Nach einigen Minuten kreischt der Saal. Die Leute klatschen – und zwar so, als müssten sie. Ottfried Fischer schlägt mit seinen wuchtigen Fäusten vor Lachen so laut auf den Tisch, dass ich mein eigenes Wort nicht mehr verstehe. Der Auftritt ist ein Triumph. Die Leute brüllen, schreien, toben und sie stehen sogar auf! Feuertaufe bestanden und auch wenn ich heut nicht gewinne – ich bin definitiv Zweiter geworden! Tief in mir weiß ich natürlich: Die Österreicher waren besser, professioneller, ausgereifter und geschliffener. Als ich die Bühne verlasse, stehen da die zwei Salzburger und klopfen mir auf die Schulter: »Tja, das wird wohl diesmal nix mit unserem Preis! Die Leute da draußen lieben dich!«
Die Jury tagt bis in die tiefe Nacht und macht sich die Entscheidung offensichtlich nicht leicht. Dann verkündet Otti Fischer gegen Mitternacht das Ergebnis: »Wir haben es uns nicht leicht gemacht, aber wir denken, dieser Preis sollte den Künstler auszeichnen, der wahrscheinlich eine große Karriere vor sich hat.«
»Klar, die Ösis. Sei ein guter Verlierer.« Denke ich und dann höre ich nur noch meinen Namen und ein Blitzlichtgewitter geht los.
»Wie geht’s dem Zahn?«, will eine Dame im Getümmel von mir wissen.
Ingrid Jehn vom WWF-Theater gratuliert mir herzlichst und teilt mir mit, dass ich mich nun auf ein vierwöchiges Gastspiel in ihrem Hause freuen dürfe. Die Redakteurin vom Bayerischen Rundfunk hat meinen Auftritt fürs Radio mitgeschnitten, sodass er in Bayern am darauffolgenden Tag ausgestrahlt wird. Man drückt mir das riesige silberne Beil in die Hand und die Münchner Abendzeitung titelt am nächsten Tag im Kulturteil: »Der Engel mit dem bösen Blick.«
Als ich mit dem Beil nach
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