Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
werde ich so viele unterschiedliche Worte für Beinweh erfunden haben wie die Eskimos Worte für Schnee.
Erkenntnis des Tages:
Entspann dich, Hase!
13. Juni 2001 – Pamplona
An Weitermarschieren ist auch heute Morgen nicht zu denken. Alles schmerzt noch. Muss einen weiteren Tag in Pamplona bleiben.
Und so spaziere ich an der Stierkampfarena vorbei durch die Stadt und besorge mir ein Busticket nach Viana. Morgen früh um sieben Uhr dreißig geht’s los. Ich muss aus Rücksicht auf meine geschundenen Knochen mindestens die nächsten drei Etappen von sechzig Kilometern ausfallen lassen. Der weitere Camino führt über einige Bergpässe und mir ist das Risiko zu groß, dass ich danach ganz aus dem Rennen fliege. Ich muss auch darauf achten, halbwegs im Zeitplan zu bleiben, kann ja nicht die nächsten zwei Jahre durch Spanien humpeln.
Ab Viana beginnt für vier Tage eine Wanderung durch etwas flachere Gefilde. Die werd ich dann durchziehen.
Gehe heute einfach ins Kino, um abzuschalten.
War im Kino! Hab mir eine Komödie auf Spanisch mit Warren Beatty und Diane Keaton angesehen. Die ersten fünf Minuten eines Films in fremder Sprache sind für mich eine Quälerei! Aber wenn ich mich entspanne, ohne krampfhaft zu versuchen, jedes Wort mitzukriegen, verstehe ich alles.
Herrje, wie oft geht es mir beim Anschauen deutscher Filme so, dass ich akustisch nicht alles mitkriege oder mir ganze Handlungszusammenhänge rätselhaft bleiben. Ob’s an meiner Blödheit oder an der Qualität des Films liegt, sei mal dahingestellt.
Das Leben versteht man doch auch nicht auf Anhieb. Vielleicht sollte ich es da so machen wie in einem spanischen Film: einfach zurücklehnen und entspannen und dann kapiert man plötzlich das Wesentliche. Was nützt es mir, mich auf eine dämliche Vokabel wie, zum Beispiel heute chapado (muss unbedingt nachschauen, was das heißt) zu stürzen und dann den Rest der eigentlichen Szene zu verpassen.
Es war eine wundervolle Komödie über das Drama einer Ehe. Hab gebrüllt vor Lachen! Ich lache auch immer gerne, wenn ich nicht weiterweiß! Herrlich, so ein Lachanfall, der einen von einer Ecke in die nächste wirft. Eigentlich ist Humor doch nichts anderes als das Verhindern von Eskalation. Ein Ventil. Wer von Herzen lacht, signalisiert: Ich bin nicht gefährlich. Wer versucht, ein Lachen oder ein Lächeln zu provozieren, fragt eigentlich nur: Bist du gefährlich oder magst du mich? Wohl gemerkt, wenn’s von Herzen kommt.
Jemand, der über einen rassistischen Witz lacht, lacht aus der Kehle. Ihm bleibt das Lachen tatsächlich im Halse stecken. Er wird nicht offen, sondern nur noch enger. Und so genannte schweinische Witze kommen nicht von unterhalb der Gürtellinie, sondern sind meist komplizierte Kopfgeburten. Oft sind die Erzähler verklemmt, ihr Sex findet allenfalls im Kopf statt, ihre Hemmungen überwinden sie mit dem Witz. Gerade deshalb glaube ich, lieben besonders Intellektuelle den schweinischen Witz, der zwar formal korrekt, aber inhaltlich banal ist. Wie oft hab ich in schlechten Shakespeare-Inszenierungen feinsinnige Intellektuelle über die gröbsten Regieeinfall-Zoten brüllen sehen. Sie sind so »zu«, dass es eines außerordentlich starken Stimulus bedarf, um ihnen ein Lachen zu entlocken.
In guten Witzen geht es eigentlich immer nur um eins: um Weisheit, gepaart mit einem Schuss Liebe und Angst.
Humor muss aus dem Bauch kommen und er sollte den Blick öffnen und weiten! Eine Prise Unterleib macht einen Witz sinnlich.
Über was man so alles nachdenkt, wenn man allein durch Spanien läuft.
Ich vergleiche Spanien auch ständig mit Italien. Italien schneidet immer besser ab. Vor allem des Essens wegen. Wenn ich in Italien bin, finde ich Deutschland dann wieder ganz toll. Bin ich in Deutschland, finde ich Spanien ganz toll. Wieso kann ich denn jetzt nicht mit dem zufrieden sein, was gerade ist. Bin halt quengelig! Hier bin ich jetzt und das ist gut so!
Und die Sprache hör ich auch gerne. Ein spanischer König hat mal etwas gesagt, woran ich heute viel denken muss:
In Italienisch singt man,
in Englisch dichtet man,
in Deutsch verhandelt man,
in Französisch liebt man
und in Spanisch betet man!
Tja, und diese Reise scheint mir ein einziges langes Gebet zu werden. Werde jetzt mein Bündel schnüren, ein bisschen Fernsehen gucken und dann ab ins Bett. Morgen geht’s weiter mit dem Bus nach Viana und dann endlich wieder zu Fuß... auf den Jakobsweg.
Erkenntnis des
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