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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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»¡Buen Camino!« und »Ultreya!« verabschiedet; das ist der mittelalterliche Schlachtruf der Wallfahrer, der so viel bedeutet wie »immer voran!«.
    Während ich mich gemächlich entferne, erreichen zwei deutsche Männer die Stempelstelle. Ich höre, wie Doña Feliza hinter mir schnell wieder ihren deutschen Trumpf aus dem Ärmel zieht, ihren Enkel aus Minden, der natürlich auch bei den beiden Schwaben gehörigen Eindruck schindet. Noch mehr scheint die beiden Süddeutschen jedoch mein Eintrag ins Pilgerbuch zu beeindrucken, denn ich höre einen der beiden laut im breitesten Schwäbisch sagen: »Des gibt’s doch ned, da het doch hier dadsächlich oiner mit Hape Kergeling underschriebbe! No, der het Humor!«
    Tja, ich seh mir, glaub ich, selber kaum noch ähnlich! Mit dem Bart und dem komischen Hut bin ich kaum zu erkennen. Ich liebe das! Jetzt halten die mich für irgendwen, aber nicht für den, der ich bin. Oder bin ich es gar nicht mehr? Vorsicht, die Sonne hier knallt unbarmherzig auf mein Haupt!
    Schon bald stehe ich am Ziel meiner heutigen Etappe, der ausladenden Kathedrale von Logroño, der Santa María de la Redonda, die in ihrem gelben Prachtkleid aussieht als sei sie aus edelstem Marzipan geformt und müsse in der sengenden Hitze jeden Moment dahinschmelzen.
    Während ich wieder mal keinen Blick für das Sakrale habe, sondern an mein profanes leibliches Wohl denke, komme ich knapp vor der Unterzuckerung an einer Eisdiele –  heladería  – mit einem gleichaltrigen, ebenfalls unterzuckerten Franzosen ins Gespräch. Der ist doch tatsächlich aus Arles losgepilgert und ist in den letzten dreißig Tagen jeden Tag gelaufen! Dazu gehört entweder ein eiserner Wille oder ein unerschütterlicher Glaube. Bewundernswert.
     
     
    Mit Hut, Sonnenbrille und Jeanshemd – ich seh mir selber kaum noch ähnlich  
     
    Nach dreieinhalb Stunden Fußmarsch unter beißender Sonne durch die flachen Rioja-Weinberge lass ich es für heute mal gut sein. Hauptsache, ich komme überhaupt weiter. Für jeden Schritt, den ich halbwegs schmerzfrei gehen kann, bin ich wirklich dankbar.
    Auf der nicht minder gelben Plaza verschnaufe ich dann endlich und gönne mir einen café con leche , während ich meine ersten Postkarten schreibe. Am Nebentisch sitzt mit kurzgeschorenen roten Haaren und mit einer Nickelbrille eine lustige kleine Pilgerin, die ebenfalls Postkarten schreibt. Die kann nur Engländerin sein bei der knallroten, von Sommersprossen übersäten Haut! Zum ersten Mal auf der Reise finde ich jemanden wirklich interessant! Die Frau im blauroten FC-Barcelona-T-Shirt ist spannend und ich würde zu gerne mit der etwa Gleichaltrigen ins Gespräch kommen.
    Mehrmals grinse ich blöd und breit in ihre Richtung, um meine Bereitschaft für eine freundliche Kontaktaufnahme zu signalisieren. Die ersten beiden Male schaut sie auch ganz freundlich zurück, gibt mir aber mit ihrem dritten, alles entscheidenden Blick zu verstehen, dass sie mein Gegrinse für eine ziemlich blöde Anmache hält, und dreht mir den Rücken zu. Oh je, da hat wohl jemand etwas in den falschen Hals bekommen. Erotisch, lüstern wollte ich eigentlich nicht rüberkommen!
    So habe ich mich jetzt auf den sanierungsbedürftigen Balkon meines kleinen Hotels in der Altstadt verkrümelt. Morgen schaue ich mal, ob ich schon wieder länger laufen kann. Werde jetzt mal wieder Wäsche waschen und danach gehe ich ganz unspektakulär ein bisschen bummeln und Fotos machen.
    Erkenntnis des Tages:
    Ich muss weniger lüstern gucken!

15. Juni 2001 – Navarrete und Nájera
     
    Das Wetter ist durchwachsen, aber heute ist es wunderbar zu wandern. Endlich kommt auf dem Weg mal so etwas wie gelassene Heiterkeit auf. Fühle mich aber immer noch ein wenig schwach auf den Beinen.
    Ich bin heute Morgen erst um elf Uhr dreißig losgelaufen. Nach einem ausgiebigen Telefonat mit einer Freundin und einem guten Frühstück marschiere ich jetzt in Richtung Navarrete. Der Weg führt mich zunächst durch die triste Vorstadt Logroños an einem Autobahnzubringer entlang. Logischerweise lassen sich hier auch die Schmetterlinge nicht blicken.
    Der Verkehr ist sehr dicht und in Ermangelung eines Bürgersteigs laufe ich als braver Deutscher, wie ich’s gelernt habe, auf der linken Seite den Autos entgegen.
    Da hält plötzlich abrupt bremsend ein Auto neben mir und ein ziemlich aufgekratzter Spanier in den Sechzigern springt heraus und schnauzt mich auf Deutsch an: »Falsch! Was Sie da

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