Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Tages:
Lachen ist die beste Medizin – und aus!
14. Juni 2001 – Viana und Logroño
Habe heute Morgen um sieben Uhr dreißig den Bus nach Viana genommen. Bin nun an der Grenze Navarras.
Nach zwei Stunden Fahrt kommt der Bus in Viana an. Die nur von einigen Anhöhen durchzogene flache Landschaft flimmert im kräftigen Sonnenlicht kaum noch grün, sondern rötlich erdfarben. Als Erstes stärke ich mich mit einem bocadillo , Kaffee und viel Wasser, um dann missmutig loszumarschieren. Daran ändert auch der Sonnenschein nichts. Die Knochen schmerzen, ich weiß, ich wiederhole mich, aber die Schmerzen tun’s ja auch, und ein Schuldgefühl stellt sich umgehend ein, da ich doch soeben drei Etappen übersprungen habe. Eigentlich ist das kein Problem, denn der Jakobsweg gilt ja offiziell als gepilgert, wenn man die letzten 100 Kilometer bis Santiago nachweislich zu Fuß oder die letzten 200 Kilometer mit dem Rad oder zu Pferde zurückgelegt hat. Für die Beweisführung hat man den Pilgerpass.
Aber wenn man sich einmal für diesen Camino entschieden hat, will er gelaufen werden, und läuft man ihn nicht, fühlt man sich unbehaglich. Es soll Menschen geben, die gar nicht mehr davon loskommen und jedes Jahr pilgern.
Zwei launige Einheimische schicken mich im nächsten Dorf erst einmal in die falsche Richtung und ich latsche mehrere sinnlose Kilometer querfeldein über irgendwelche Felder, in denen meine Füße versinken, auf der Suche nach gelben Pfeilen, die aber nirgendwo zu finden sind. Dabei verspricht mein Reiseführer, dass der Weg in kurzen Abständen mit den flecha amarilla und/oder den bekannten Jakobsmuschelsymbolen ( vieira ) gekennzeichnet ist.
Gleich beide der begehrten Wegweiser nebeneinander
Irgendwann brüllen zwei aufgeregte campesinos , Bauern, wild mit den Armen fuchtelnd, aus ziemlicher Entfernung etwas über den Acker. Ich winke nett zurück, bevor ich merke, dass sie mir mit ihrem Gebrüll wohl etwas mitteilen wollen. Ich laufe also zu ihnen und sie schicken mich prompt wieder zurück in die Richtung, aus der ich gerade komme. Auf den richtigen Pfad.
Hinterher fällt mir auf, dass jedes Mal, wenn ich auch nur ansatzweise vom Weg ab komme, plötzlich weit und breit keine Schmetterlinge mehr zu sehen sind.
Kaum bin ich auf dem Pilgerweg, wimmelt es auch schon wieder von bunten Schmetterlingen. Womöglich liegt es an der Vegetation? Oder es handelt sich um einen Trick des spanischen Fremdenverkehrsamtes? Zwei weitere Male übersehe ich heute beinahe die gelben Pfeile, aber genau im passenden Moment setzt sich einer der Falter als Blickfang auf einen verblassten gelben Pfeil am Wegesrand. Keine Panik, ich halte das jetzt nicht für ein esoterisches Wunder, aber beeindruckend finde ich es schon. So führt mich mein Weg weiter durch die flachen Rioja-Weinhügel.
In meinem allzeit bereiten Reiseführer steht: »Kurz bevor Sie Logroño erreichen, steht am Straßenrand vor ihrer kleinen Hacienda Doña Feliza, eine steinalte Spanierin, die Ihnen den Pilgerstempel gegen eine kleine Spende in den Pilgerpass druckt. Wer sich hier keinen Stempel holt, ist nicht gepilgert.«
Und tatsächlich, wenn man auf Logroño zuläuft, kann man schon von weitem ihr windschiefes Haus auf einer Anhöhe erkennen. Davor sitzt sie, in Schwarz gekleidet, auf einem alten Camping-Klappstuhl an ihrem zur Stempelstelle umfunktionierten Küchentisch. Sie erspäht mich aus einiger Entfernung und erhebt sich mit dem Stempel in der Hand feierlich vom Platz.
Der Blick von hier oben auf die orange schimmernde Stadt ist atemberaubend. Das Bedeutendste an Logroño ist wohl, dass es die Hauptstadt der Region La Rioja, des wichtigsten Weinanbaugebietes Spaniens, ist. Bemerkenswert ist auch, dass Logroño vielleicht für alle Zeiten ein verschlafenes Nest geblieben wäre, wenn König Sancho im elften Jahrhundert nicht so clever gewesen wäre, den Jakobsweg durch die Stadt zu führen, wodurch dort auf einmal schwer was los war.
Je weiter man nach Westen vordringt, desto offener wird die Landschaft.
Für einen Tratsch sind die alte Dame und ihre Tochter, die eben aus dem Haus tritt, offensichtlich immer zu haben. Mit einem fröhlichen »¡Buenos Días, señor!« begrüßt sie mich überschwänglich. Doña Felizas Enkel, erfahre ich, nachdem ich mich als Deutscher zu erkennen gegeben habe, wohnt in Minden. Vielleicht interessiert das ja irgendjemanden?
Ich trage mich in ihr Pilgerbuch ein und werde mit einem
Weitere Kostenlose Bücher