Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
mit offenem Mund an. Er versteht kein Wort von dem, was die Schwedin sagt, und dass sie einfach nur nach Nahrung fragt, scheint für ihn nicht im Bereich des Möglichen zu liegen. Ihre Stimme wird eindringlicher und etwas lauter: »Do you think, it may be possible to have breakfast outside? Meinen Sie, ich könnte auch draußen frühstücken? Vielleicht bauen Sie uns einen kleinen Tisch auf?« Sie deutet auf mich. »... mit einer netten weißen Tischdecke?« Der Wirt tut nicht nur so, als würde er nicht verstehen, er versteht einfach nicht und dieses ätherische Wesen hat noch nicht begriffen, dass es von seinem Thron direkt in das spanische Fernfahrerinferno herabgestiegen ist. Also insistiert sie und will einen Tisch hochheben, worauf ihr der Wirt gestikulierend zu verstehen gibt, dass alle Tische im Lokal zu verbleiben haben. Auch mein promptes Übersetzen verbessert ihre Ausgangssituation um keinen Deut. Woraufhin sie irgendwann resignierend und kommentarlos ihr kleines Frühstück entgegennimmt, es mir gleichtut und sich neben mich draußen auf die Bordsteinkante setzt. Wir lachen beide.
Während wir so lachen, schaut mich die Schwedin an, sieht meinen Muschelsticker, der mich eindeutig als Pilger ausweist und somit als der Fernfahrerhölle Nichtzugehö riger, und fragt auf Englisch: »Na, und was ist dir schon Wunder bares passiert?« Ich schaue sie an und sage: »Ich glaube... nichts.« Sie guckt mich zweifelnd an und sagt: »Das glaube ich nicht! Irgendwas muss dir passiert sein, jedem passiert doch etwas und wenn es nur eine kleine Erkenntnis ist.« Mir fällt doch etwas ein: »Oh doch, Moment, warte... Wusstest du, dass das Universum gleichzeitig schrumpft und expandiert?« Sie explodiert vor Lachen. »You are funny!« Ich sage: »Oh, I know!« Sie steht auf und sagt: »Wenn das so ist, will ich mal schnell weiter und sehen, ob meine Freundin inzwischen geschrumpft ist.« Sie pustet mir einen symbolischen Kuss zu und geht.
Ich bin dann nach dem Frühstück zur Bushaltestelle gekrochen und vollkommen schuldgefühlfrei mit dem Bus die sechsunddreißig Kilometer nach Burgos gefahren. Vor etlichen hundert Jahren sah man hier bis zum Horizont Schafweiden, heute reist man durch ein stattliches Industriegebiet an.
In Burgos wohne ich im besten Hotel am Platze; direkt vor dem mittelalterlichen Stadttor, das den Blick in die stolze Altstadt freigibt; eine mittelalterliche Prachtkulisse wie aus einem Robin-Hood-Film. Alleine in der gotischen Catedral de Santa María und dem dazugehörigen Museum halte ich mich dann den halben Tag auf und habe noch längst nicht alles bewundern können. Als ich die Kirche verlasse, steht da ein hagerer bebrillter Wanderprediger, der wie eine Erfindung von Woody Allen aussieht. Er gehört einer Sekte namens Corpus Christi an und die ist organisiert wie eine albanische Taschenspielerbande. Immer wenn ein freiwilliger Sünder unter den Passanten gesucht wird, melden sich nacheinander immer ein und dieselben drei Personen. Ein junger pummeliger, pickeliger Mann beichtet allein dreimal all seine Sünden vor dem brüllenden Wanderprediger in der Fußgängerzone.
Schrecklich, wenn Leute Geschäfte mit dem Glauben oder gar der Not anderer machen. Aber keiner der Passanten lässt sich in den Bann dieses zweifelhaften Schreihalses, der die Geschichte des Zöllners Zachäus in die Fußgängerzone brüllt, ziehen und beeindrucken.
Habe mir dann meine erste deutsche Zeitung gekauft, meine heißgeliebte Süddeutsche , mit der ich mich auf eine schattige Bank ans Ufer des Arlanzón setze und genüsslich Berichte aus der kalten Heimat lese. Und schon steigert sich meine hart erlaufene, gute Laune. Franz Müntefering fordert während einer SPD-Pressekonferenz alle schwulen Politiker auf, sich öffentlich zu outen – mit der Begründung: »Schwule sind Menschen wie alle und können jedes Amt besetzen, auch das des Papstes!«
Ich fliege vor Lachen fast von der Bank! Doch als ich die Reaktionen der CSU schwarz auf weiß abgedruckt lese, bekomme ich die Wut! Da steht doch tatsächlich: Das sei eine Beleidigung für den Papst, was nicht bedeute, dass die CSU etwas gegen Homosexuelle habe, aber Sexualität sei nun einmal Privatsache jedes Einzelnen. Wie bitte? Sexualität ist Privatsache? Seit wann?
Fast jeder geht in unserer Gesellschaft automatisch davon aus, dass sein Gegenüber hetero zu sein hat. Warum um Himmels willen heiraten Menschen in aller Öffentlichkeit? Und warum nehmen Frauen nach
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