Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
Vom Netzwerk:
das, was ich bisher zu ahnen glaube.
    Nach drei Stunden ununterbrochenen Laufens durch winzige, mittelalterlich wirkende Dörfchen und Getreidefelder lege ich eine schöne lange Pause in Hornillos del Camino ein. Danach folgt ein zweistündiger Marsch durch eine trockene, fast gespenstische Hügellandschaft, die mich auf ein Hochplateau führt. So ähnlich muss die Mongolei aussehen. Kein Schatten weit und breit – und das bei 35 Grad Celsius. Und mitten in dieser Steppe steht in einer kleinen Waldoase, durch die ein Bach führt, ein moscheeartiges Gebäude mit einem riesigen Johanniterkreuz auf dem Dach. Es ist das refugio von San Bol.
    Als ich dort einkehre, tauchen mein schwedischer Engel aus Villafranca und ihre ebenso unzweifelhaft skandinavische Freundin bereits die Beine in den Bach. Der Einladung der beiden, meine Füße doch einfach dazuzustecken, folge ich sofort. Es ist schon komisch, dass ich eigentlich nur mit den Pilgerinnen richtig gut in Kontakt komme, aber sie sind ja hier auch deutlich in der Überzahl und die meisten Männer sind, wie ich inzwischen wahrscheinlich auch, komische, verschrobene Eigenbrötler.
    Der Engel heißt Evi, Iwi ausgesprochen, und ihre Freundin Tina. Wir reden gar nicht viel und dösen einfach nur unter den von Singvögeln übervölkerten Bäumen vor uns hin. Bis sich eine bunt aufgedonnerte Brasilianerin unaufgefordert zu uns gesellt und auf Portugiesisch auf uns einschwadroniert. Normalerweise flüchte ich ja immer sofort vor den so häufig auf Männerfang befindlichen Südamerikanerinnen, aber ich kann nicht, ich schwächele immer noch.
    Nicht nur italienische Väter wollen ihre Töchter hier an den Mann bringen, auch rasend gut aussehende Südamerikanerinnen wollen unbedingt den Mann fürs Leben finden.
    Die Gegenwart der beiden Schwedinnen wird die Brasilianerin sicher bald davon überzeugen, dass ich bereits überversorgt bin. Da die beiden Skandinavierinnen ziemlich genervt auf das Temperamentsbündel reagieren, sage ich den einzigen Satz, den ich auf Portugiesisch kann und der heißt übersetzt: »Ich spreche kein Portugiesisch!« Etwas Blöderes hätte ich kaum sagen können, denn jetzt geht’s erst richtig los! Ich grinse sie nur blöd an und verstehe kein Wort von dem, was sie mir da gerade dringend mitteilen will.
    Evi und Tina denken nun ihrerseits, ich wäre gerade dabei, die Brasilianerin anzugraben, und machen sich fix vom Oasenacker. Das würde ich jetzt auch gerne tun, aber ich bin ja noch nicht wieder bei Kräften und so bleibt die Brasilianerin hartnäckig am Ball und erzählt mir, ihrem beeindruckenden Gesichtsausdruck nach zu urteilen, die wahrscheinlich spannendste Geschichte, die mir je zu Ohren gekommen ist – und ich begreife nicht ein Wort! Diese aufgekratzte Frau sagt mir jetzt wahrscheinlich die alles entscheidenden Sätze zum Pilgerweg auf Portugiesisch und meine Erleuchtung wird allein daran scheitern, dass ich während meines Abiturs die Lebensweichen falsch gestellt und mich für den sinnlosen Spanisch-Leistungskurs entschieden habe! Muchas gracias! Mein leeres Gesicht treibt die Frau dann wieder weiter auf den Weg und ich beschließe mich jetzt erst mal richtig zu erholen und schlafe tatsächlich noch ein Ründchen. Das erste Mal auf dem Weg lege ich mich einfach in die Pampa und schlafe. Das nenne ich jetzt mal Gelassenheit.
    Auf dem Weg nach Hontanas komme ich an vielen Baustellen und aufgerissenen Straßen vorbei; genauso fühle ich mich auch: da reiße ich was ab, hier versuche ich was aufzubauen! Der Weg scheint täglich meine innere Verfassung widerzuspiegeln oder umgekehrt... oder beides.
    Nach gut zwanzig Kilometern lande ich am frühen Abend in Hontanas. Ein Ort, der nicht mit dem Auto zu erreichen ist. Ich wusste nicht, dass so etwas in der EU noch erlaubt ist. Ihre Autos müssen die Einwohner, dank eines nicht zu befahrenden mittelalterlichen Pfades, der von Pferdeäpfeln übersät ist, weit außerhalb des Dorfes parken. Und so herrscht in diesem Flecken absolute Ruhe und die Luft glüht zwar und riecht nach Pferd, aber sie ist rein.
    Das einzige Hotel im Ort empfiehlt mein Reiseführer nicht. Zu Recht, wie sich herausstellt! Ich betrete also diese aus grobem hellem Sandstein gemauerte – na ja, sagen wir – Bodega und habe das Gefühl, von einer Zeitmaschine in das tiefste Mittelalter katapultiert worden zu sein.
    Ich stehe in einer Welt, die von Hieronymus Bosch erdacht sein könnte. Ein kleiner dicker schwitzender

Weitere Kostenlose Bücher