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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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wir mit unserem Trinkwasser waschen und noch eine Flasche Whiskey dazu, damit wir uns hier nichts einfangen!« Und genauso machen wir es dann.
    Jedes der bestellten Gerichte sieht entsetzlich aus und die Teller sind noch nie mit Spüli in Berührung gekommen. Tina und ich überwinden uns als Erste. Es nützt ja nichts, wir drei sind heute an die dreißig Kilometer gelaufen und unser Hunger ist massiv und echt. Und siehe da, es schmeckt nichts so fies, wie es aussieht, auch wenn es interessant riecht. Die Spiegeleier sind sogar fast auf Anhieb als solche zu erkennen und kommen deswegen heute auch besonders gut an.
    Und der Whiskey, der dazu gereicht wird, wirkt nicht nur vorbeugend, sondern auch extrem stimmungsaufhellend. Während wir drei tapfer jeden Bissen, nahezu ungekaut, runterwürgen, betritt die Brasilianerin die Bühne. Evi stupst mich an: »Look, who’s coming to see you!« Schau mal, wer da für dich ist!
    Schwupps!, hat die Brasilianerin mich auch schon wieder am Haken und quatscht fröhlich drauf los. Zunächst drängelt sie Tina kurzerhand beiseite, denn sie will jetzt neben mir sitzen. Für einen kurzen Moment wird sie still, als ihr leerer Blick unsere zehn abgefressenen Teller streift. Nach ihrem Augenaufschlag zu urteilen ist der widerliche Zustand des Geschirrs eindeutig auf unser Verschulden zurückzuführen. Es geht jetzt ums Ganze für sie, denn auch ihr Magen knurrt und so will sie von mir eine kulinarische Empfehlung von der Tageskarte. Deshalb spricht sie zu mir alsbald in einem gedrosselten, meinen sprachlichen Fähigkeiten entsprechenden Idioten-Portugiesisch. Nach zwei, drei doppelten Whiskey bin ich offensichtlich in der Lage, Kleinkinderportugiesisch hervorragend zu verstehen, und da mir das, was ich da höre, mehr mit dem Italienischen als mit dem Spanischen verwandt zu sein scheint, antworte ich auf Italienisch: »Nimm die Spiegeleier!« Das versteht sie, gibt die Bestellung auf und fragt uns angesichts der halb leeren Whiskeyflasche auf dem Tisch ernsthaft, ob wir Alkoholiker seien. Als ich ihr mit etwas schwerer Zunge versichern kann, dass dem nicht so ist, gönnt auch sie sich einen Doppelstöcker aus meinem Glas. Langsam scheint auch Claudia, so heißt die dunkle Schönheit aus Rio, aufzugehen, dass wir uns in einem Lokal befinden, das bisher in keinem Gourmetführer eine lobende Erwähnung gefunden hat, und so geht sie in die Küche, um selber nachzuschauen, was der Küchenchef dort anrichtet. So blass, wie sie nur werden kann, kommt sie zurück an den Tisch und stammelt nur: »sucio, sucio!« Das klingt für mich wieder Italienisch, denn wenn man in Rom jemanden besonders abstoßend findet sagt man: »zozzo!« Was so viel heißt wie dreckig und zwar überall!
    Als Vitorio sein wenig gelungenes Machwerk auf dem Tisch präsentiert, nimmt Claudia den Teller und pfeffert ihn unter wüsten Beschimpfungen zurück in seine Richtung. Vitorio kann den Teller gerade noch auffangen, aber er kann gar nichts erwidern. Mir tut er fast ein bisschen Leid, denn jetzt läuft für ihn alles komplett aus dem Ruder. Die Schwedinnen und ich bitten Claudia, sich doch zu beruhigen, doch die ist in ihrer Ehre gekränkt, denn ein solcher Fraß ist auch ihr anscheinend bisher noch nicht serviert worden.
    Als Wiedergutmachung kredenzt uns Vitorio ersoffene Bananen in Whiskey. Auch er scheint uns inzwischen für hochprozentige Gewohnheitstrinker zu halten. Selbst Claudia aus Rio probiert etwas von der neuen creación de la mesón . Der Abend ist nett, die Stimmung wird gut, Vitorio macht auch noch mal den Trick mit der Flasche und Claudia ist gar nicht mehr so nervig, wie sie zunächst rübergekommen war. Später findet auch noch ein junger Slowene namens Mirjo oder so ähnlich an unseren Tisch, den wir vorsichtig in Vitorios Küchengeheimnisse einweihen und auch zum Gewohnheitstrinker machen.
    Bei Einbruch der Dämmerung begleite ich die vier zum refugio . Auf der Bank vor dem liebevoll restaurierten Gebäude sitzt mit versteinertem Gesicht Claudias Freundin Sonja, die offensichtlich schon seit Stunden auf sie wartet und unter portugiesischen Verwünschungen ziemlich schnell im refugio verschwindet. Mann! Diese Brasilianer sind temperamentvoll! Claudia verspürt jetzt nicht mehr die rechte Lust, gleich schlafen zu gehen, und so machen wir es uns auf der Bank unter dem mittlerweile sternenklaren Himmel gemütlich.
    Sie redet beinhart weiter mit mir portugiesisch, eine andere Sprache spricht sie ja auch

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