Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg
Kobras gesehen haben will, vielleicht ist es ja symbolisch und sie denkt als fromme Katholikin vielleicht etwas zu oft an Sex.
Nachdem Claudia und ich wieder ins Plauschen kommen, entfernt sich ihre Freundin Sonja ganz entschlossen und charmant von uns und es ist klar – Claudia will es jetzt wissen! Warum guckt sich diese rassige Brasilianerin mich Weichei aus? Na, herzlichen Glückwunsch! Natürlich ist es auch schmeichelhaft, aber eben sinnlos.
Wir plauschen sehr verkrampft weiter, das Gespräch gerät zusehends ins Stocken und sie wartet ganz offensichtlich auf irgendetwas eindeutig Zweideutiges von meiner Seite. Das kommt aber nicht. Die erhabene Festung von Castrojeriz, das Vogelgezwitscher und die dröge Landschaft sind heute Morgen meine Steckenpferde. Alles in allem ist meine Gesprächsführung nicht besonders einfallsreich und läuft nicht annähernd auf das hinaus, was sich Claudia heute unter ihrem Tagespensum vorgestellt hatte.
Plötzlich bleibt sie ohne jede Vorwarnung wütend stehen, schaut mich tief beleidigt an und macht mir in dem Tonfall, in welchem sie gestern Abend Vitorio zur Schnecke gemacht hat, unmissverständlich deutlich, dass sie ab sofort alleine weiterlaufen werde. Ich solle jetzt eine Viertelstunde warten, dann sei sie nicht mehr einzuholen, denn sie wolle mich nicht mehr wiedersehen. Nie mehr! Auf dem Absatz dreht sie sich um und verschwindet.
Gehorsam warte ich eine Viertelstunde, weil auch ich keinen gesteigerten Wert mehr darauf lege, sie wiederzusehen. Aber ich finde das Ganze schon sehr überraschend, doch böse kann ich ihr nicht sein. Tja, da versprüht sie am frühen Morgen wirklich ihren ganzen Charme und Liebreiz und dann das. Und so sehe ich auch Claudia sicher nie wieder!
Das mittelalterliche Frühstückscafé in Castrojeriz ist sensationell. Der Besitzer ist unglaublich freundlich und ein lustiger Papagei namens Kathie fliegt zu Wiener Walzermusik frei herum in dem mit wallenden bunten Vorhängen ausstaffierten sonnendurchfluteten Raum. Ich setze mich an einen Tisch gegenüber einer groben Steinwand, an der ein großes Foto von einem sympathisch lächelnden Südländer prangt, auf welches ich während meines üppigen Frühmahls zwangsläufig starren muss. Ich haue ordentlich rein und sammle Kraft für den ganzen Tag. Auf einmal steht mein schmieriger dicker Wirt Vitorio aus Hontanas in der Tür, bestellt sich einen Kaffee und meint zu mir: »Ja... hier ist es auch ganz schön, was?«
Schon befinde ich mich vor meinem geistigen Auge wieder in seinem grotesken Mittelalterinferno und ans Weiteressen ist nicht mehr zu denken.
Also beschließe ich, zügig aufzubrechen zum 900 Meter hohen Meseta-Pass, der über den Berg Mostelares führt.
Der Weg führt mich durch eine trockene, gelb blendende Einöde, die zwar landschaftlich spektakulär ist, aber wie Menschen je auf die Idee kommen konnten, hier zu siedeln, ist mir ein Rätsel. Ich hätte meine Videokamera mitnehmen und einen Dokumentarfilm drehen sollen. Es ist einfach unglaublich und einzigartig schön und die paar Menschen, denen ich in einem Dorf begegne, sind ausgesprochen freundlich und sehr um die Pilger bemüht.
Wer weiß, wo ich heute wieder lande? Ein sauberes Bett und Bad reichen mir, aber das, bitte, muss schon sein.
Beim alpinen Aufstieg auf neunhundertdreißig Höhenmeter zum schattenlosen Meseta-Pass treffe ich eine rund zweihundert Kilo schwere, ältere, quietschbunte Amerikanerin, die ohne Rucksack, mit Badelatschen und einem Stöckchen über den sehr schlechten, von Kieselsteinen übersäten Weg humpelt. Die Frau ist mit ihrer barocken Üppigkeit das absolute Gegenteil dieser hageren ausgemergelten Landschaft. Ich hätte sie eher in einem Schnellimbiss in Dallas vermutet, aber nun scheint sie in ihrer bunten Fülle als Gegenstück zur monotonen Kargheit der Umgebung hier so eine Art natürliches Gleichgewicht wiederherzustellen. Mittlerweile quatsche ich hier jeden an und lasse mich auch gerne mal in ein Gespräch verwickeln und der Dame scheint es genauso zu gehen. Also bleiben wir beide stehen und tun so, als hätten wir uns hier in dieser Halbwüste bei 40 Grad Celsius im Schatten zum Tratsch verabredet.
Sie erzählt mir, dass sie sich von ihrem Mann jeden Tag an einer halbwegs befahrbaren Straße absetzen lässt, um dann zwei bis drei Kilometer alleine bis zu einem vereinbarten Treffpunkt zu laufen, an dem ihr Mann im Wagen auf sie wartet. Die Amerikanerin aus Seattle scheint mir mit dieser
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