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Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg

Titel: Ich Bin Dann Mal Weg: Meine Reise Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hape Kerkeling
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durch die Fußgängerzone zu laufen ist ein befreiendes Gefühl, obwohl ich mich inzwischen einigermaßen an das Gewicht gewöhnt habe. Keine 500 Meter schleiche ich durch die Geschäftsstraße, da laufe ich Evi direkt in die Arme und wir fallen uns wieder um den Hals. Mann, ich habe aber auch ein Glück! In aller Form entschuldige ich mich bei ihr dafür, die gestrige Einladung zum Abendessen ausgeschlagen zu haben, und lade sie nun auf einen Kaffee ein. Kaum sitzen wir in den Korbstühlen mitten in der Fußgängerzone, gesellt sich eine Pilgerbekanntschaft von Evi zu uns. Tobias aus Mainz. Ein Zweimeter-Mann, der sehr schlechtes Englisch mit einem goldigen Määnzer Akzent spricht.
    Evi erzählt, dass sie in León festhängt, da ihr Fuß wieder Probleme macht. Tina ist bereits alleine weitergelaufen. Die Wut über den möglichen Abbruch der Reise steht ihr ins Gesicht geschrieben. Evi muss heute Luft ablassen und so holt sie weit aus und erinnert sich an die zehn Jahre, die sie als Chefpurserin auf einem skandinavischen Luxuskreuzfahrtschiff gearbeitet und die Welt bereist hat, bis sie alle diese reichen Leute satt hat, alles hinschmeißt und nach Brasilien geht, um dort mit Straßenkindern zu arbeiten. Auf dem Camino bricht sie sich vor einem Jahr das Bein und kann danach unmöglich zurück nach Brasilien, um dort ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Und so studiert sie nun in Stockholm Sozialpädagogik. Das Studium finanziert sie sich, indem sie Englischunterricht gibt. Der Camino hat Evi gepackt und lässt sie nicht mehr los.
    Evi kommt ursprünglich aus Gällivare in Lappland. Den Ort jenseits des Polarkreises kenne ich. Da war ich auf meiner Interrailreise mit siebzehn das erste Mal. Der nördlichste Punkt, an dem ich bisher war. Hab dort zum ersten Mal die Mittsommernacht erlebt.
    Als Evi mich fragt, was ich eigentlich ganz genau beruflich mache, ich sei so ein »funny guy«, beantwortet Tobias die Frage, und zwar sehr genau: Der Typ hat alle meine Shows gesehen! Beim Abendessen in Frómista hatte ich Evi und Tina meinen Beruf nur sehr vage mit »Kabarettist« umrissen. Evi scheint nicht besonders verwundert: »So etwas habe ich mir schon gedacht.«
    Zur allgemeinen Erheiterung kramt Tobias nun aus den Untiefen seines Rucksacks einige Knaller hervor. Was der alles mitschleppt! Elektroschocker, Pfefferspray und Ultraschallknüppel. Das Zeug hat ihm seine Mutter zum Schutz gegen die wilden Hunde mitgegeben. Bis er irgendwas davon im Notfall zur Hand hat, haben die Tiere sich längst festgebissen.
    Dieser Hüne mit dem Körperbau eines Olympiaschwimmers hat genau so eine Angst vor den wilden Hunden wie ich. Zum Glück begegnen mir selten welche und dann sind es ganz friedliche. Aber auf der zweiten Hälfte des Caminos soll die Gefahr laut Pilgerfibel deutlich größer sein! Eine kanadische Pilgerin, so wird berichtet, habe eine Nacht draußen geschlafen und wurde von einem Wolf belauert. Das wird doch wohl nicht Lara gewesen sein! Und zwar genau in der Gegend, wo ich den enorm hässlichen Hund gesehen habe. Der wird’s wohl auch gewesen sein! Der Dicke tut nix, der will nur spielen! Zu doof, dass ich den Hund nicht fotografiert habe, jeder Zoologe hätte seine Freude daran gehabt. Aber angeblich gibt es hier wirklich Wölfe und ich hab ja schließlich auch Adler gesehen. Ich wundere mich über nichts mehr.
    Tobias hat sein Waffenarsenal inzwischen wieder gut verstaut und zieht humpelnd weiter, während ein Pilger aus Karlsruhe mit hochrotem Kopf kurz stehen bleibt und nicht fassen kann, dass es mich wirklich gibt.
    In der Fußgängerzone höre ich jemanden laut meinen Namen rufen. Ich drehe mich um und im Gewusel strahlt mir ein rot-blaues FC-Barcelona-T-Shirt entgegen. Es ist Anne, der ich meine Isomatte in Santo Domingo de la Calzada vermacht habe. Wir küssen und herzen uns, als wären wir seit Jahrhunderten befreundet. Evi und Anne kennen sich auch bereits; ich sagte ja schon: mich wundert nichts mehr!
    Natürlich setzt sich die Liverpoolerin zu uns und erzählt, dass sie dank meiner Isomatte besser schläft, allerdings eine Woche gebraucht habe, um zu kapieren, wie man das Ding eigentlich wieder richtig zusammenrollt und die Luft rauskriegt. Wie? Ich wusste gar nicht, dass man sie aufblasen muß.
    Anne macht trotz ihres Humors einen geknickten Eindruck und so schildert sie auf Nachfrage, dass sie in der Nähe von Calzadilla de la Cueza, wo angeblich die Wölfe heulen, vom Herbergsvater derb sexuell belästigt

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