Ich bin dein, du bist mein
Schokolade zu klauen, das war Kinderkram. Aber Mord. In ihrem Freundeskreis! Das konnte einfach nicht wahr sein. Und dann auch noch Jan. Jemand, mit dem man nicht mal richtig streiten konnte.
Judith saß noch immer auf der Treppe, das Telefon in der Hand, als es an der Haustür klingelte. Sie stand auf und öffnete. Kim fiel ihr um den Hals. Niels war kreideweiß im Gesicht.
»Kommt«, sagte Judith. »Wir gehen in die Küche.«
Sie setzten sich an den großen Tisch. Judith schaltete die Espressomaschine ein und holte für jeden eine Tasse aus dem Schrank. Zerberus, der das Klingeln gehört hatte,kam die Treppe heruntergepoltert und blieb verwirrt auf der Schwelle stehen, als er die gedrückte Stimmung bemerkte. Kim streckte ihre Hand aus und Zerberus ließ sich von ihr streicheln. Als er sie winselnd mit seiner feuchten Nase anstupste, begann sie wieder zu weinen.
Judith wollte sich gerade zu ihren Freunden setzen, als die Haustür aufgeschlossen wurde.
»Wir sind wieder da!«, hörten sie Judith Mutter rufen.
»Ich bin hier«, sagte Judith leise. Sie hatte ihre Stimme noch immer nicht im Griff.
Marion sah zur Tür hinein, ein wenig atemlos und verschwitzt. Der Regen hatte aufgehört und die Sonne schien wieder unerbittlich aus einem wolkenlosen Himmel. Ihr Lächeln erstarb, als sie in das verweinte Gesicht der beiden Mädchen sah.
»Um Gottes willen, was ist passiert?«
»Jan …« Mehr brachte Judith nicht heraus.
»Hat er einen Unfall gehabt?«, fragte ihre Mutter erschrocken.
»Man hat ihn festgenommen. Er soll ein Mädchen aus unserer Schule ermordet haben«, sagte Niels.
Judiths Mutter sah Robert an, der nun ebenfalls die Küche betreten hatte. Er runzelte die Stirn.
»Wisst ihr Genaueres?«, fragte er.
Niels schüttelte den Kopf. »Nur Gerüchte. Dass es heuteam frühen Nachmittag passiert sein soll und dass die Mutter die Leiche gefunden hat.«
Judiths Mutter brauchte einen Moment, bis sie sich gesammelt hatte, und wandte sich an ihren Freund: »Kannst du da irgendetwas herausfinden?«
Robert schwieg und runzelte die Stirn. Schließlich seufzte er und holte aus seiner Hosentasche ein Blackberry hervor. Er drückte auf eine Kurzwahltaste und verließ die Küche. Niels blickte ihm verwirrt nach.
Marion setzte sich neben Judith und legte einen Arm um ihre Schultern. »Robert arbeitet für die Staatsanwaltschaft«, sagte sie mit einem Blick zu Niels hinüber.
Robert erschien in der Tür. Alle Augen waren fragend auf ihn gerichtet.
»Sieht nicht gut aus für Jan«, sagte er und setzte sich zu den anderen an den Tisch. »Er sitzt jetzt in U-Haft und wartet darauf, dem Ermittlungsrichter vorgeführt zu werden. Es besteht dringender Mordverdacht.«
»Kann ein Selbstmord wirklich ausgeschlossen werden?«, fragte Judith.
»Wenn man in Betracht zieht, wie das Mädchen zu Tode gekommen ist? Ja, eigentlich schon. Wie kommst du überhaupt darauf, dass Zoey Selbstmord begangen haben könnte?«, fragte Robert.
»Jan und ich, wir haben uns gestern nach der Schulegetroffen und lange miteinander geredet.« Sie stand auf, zog das Kuvert mit den Fotos hervor, das noch immer zwischen den Kochbüchern steckte, und reichte es Robert. Seine Augenlider zuckten kurz, als er die Bilder sah.
»Wo hast du die her?«
»Sie lagen neulich im Briefkasten. Ich weiß nicht, wer sie gemacht hat.«
Robert blickte sie schweigend an.
»Ich glaube, Jan bereut, dass er mich mit Zoey betrogen hat«, fuhr Judith fort. »Irgendwie lief es zwischen den beiden nicht besonders gut. Jan wirkte verzweifelt. Er wollte wohl Schluss mit ihr machen. Aber Zoey hat ihm damit gedroht, sich umzubringen.« Sie strich sich nervös das Haar aus dem Gesicht.
Robert holte tief Luft und lehnte sich zurück. »Ich darf nicht viel dazu sagen, aber alles deutet darauf hin, dass er aus Vorsatz gehandelt hat.«
»Wirst du den Fall übernehmen?«, wollte Judiths Mutter wissen, die noch immer ihren Arm um die Schultern ihrer Tochter gelegt hatte.
»Nein. Ganz bestimmt nicht.«
»Wegen mir?«, fragte Marion.
»Wegen deiner Tochter. Dass wir hier sitzen und darüber reden, kann mir schon einen Heidenärger einbrocken.«
»Wird die Polizei auch Judith befragen?«, fragte Niels.
»Mit Sicherheit. Und ich möchte nicht, dass Judith wegen mir lügen muss. Was ich hier am Tisch gesagt habe, steht ohnehin morgen in der Zeitung.«
Schweigen machte sich in der Küche breit.
Robert sollte Recht behalten. Die Zeitungen waren voll von Berichten über den
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