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Ich bin dein, du bist mein

Ich bin dein, du bist mein

Titel: Ich bin dein, du bist mein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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mutmaßlichen Mord. Ein besonders sensationslüsternes Blatt wartete mit einigen unappetitlichen Details auf, da es den Tathergang in allen Einzelheiten beschrieb. Offenbar war Zoey erstochen worden. Und der Autor des Artikels schien von einem heimtückisch geplanten Mord auszugehen.
    Zoeys Mutter hatte beim Anblick ihrer toten Tochter einen so heftigen Zusammenbruch erlitten, dass man sie in eine Nervenklinik eingewiesen hatte.
    Die Reporter hatten versucht, auch Jans Mutter zu interviewen. Ein Foto zeigte sie beim Verlassen ihres Hauses; ihre Haltung verriet, wie sehr sie das Leid niederdrückte. Obwohl ihre Augenpartie mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht worden war, erkannte Judith sie sofort.
    Angewidert hatte ihre Mutter die Zeitung in den Müllgeworfen. Beide wussten: Es war nur eine Frage der Zeit, bis Polizei und Presse an ihrer Tür klingeln würden.
    Judith wäre heute am liebsten zu Hause geblieben, ihre Mutter hätte ihr sogar eine Entschuldigung geschrieben. Doch was hätte das gebracht? Sie hätte nur sinnlos rumgegrübelt und sich selbst die Schuld an der Tragödie gegeben. Nein, sie musste raus. In die Schule gehen. Sich zeigen. Sonst würde sie noch wahnsinnig werden.

    Als sie das Schultor erreichte, bereute sie ihre Entscheidung schon beinahe wieder. Denn dort drängten sich Reporter verschiedener Zeitungen und sogar einige Fernsehkameras waren aufgebaut wie bei einem wichtigen politischen Ereignis. Judith zog den Kopf ein, um sich möglichst klein zu machen, und eilte zum Seiteneingang bei der Sporthalle. Die Einzigen, die noch nicht Bescheid wussten, waren einige kichernde Fünftklässler, die von einem Lehrer mit leiser Stimme zur Ordnung gerufen wurden.
    Judith spürte, wie sich ihr Körper immer mehr in Eis verwandelte. Als sie sich auf den Weg zum Aufenthaltsraum der Oberstufe machte, wo Kim mit Niels auf sie wartete, verknotete sich ihr Magen zu einer kalten Schlange.
    Als sie den Raum betrat, verstummte das Gewirr flüsternder Stimmen sofort und alle Augen richteten sich auf sie. Kim, die bei der Tür auf Judith gewartet hatte, packte ihre Freundin am Arm, drängte sie aus dem Raum und zog sie unter einen Treppenaufgang. Sie war blass und hatte verweinte Augen. Niels kam hinterher. Auch er war bleich, doch blickte er so grimmig drein, als wollte er den Rest der Schule warnen: Legt euch bloß nicht mit uns an.
    »Was ist hier los?« Judiths Stimme zitterte.
    »Hier machen die wildesten Gerüchte die Runde«, sagte Kim. »Jan soll die Tat aus Liebeskummer begangen haben. Und das ist noch die harmloseste Variante. Andere erzählen sich hinter vorgehaltener Hand, dass du ihn dazu angestiftet haben könntest. Sozusagen aus später Rache. Und als Liebesbeweis.«
    Judith riss die Augen auf. »Wie kommen die denn auf so einen Wahnsinn!« Sie zitterte am ganzen Körper. »Oder traut ihr mir allen Ernstes so was zu?«, fragte sie und blickte Niels dabei flehend an.
    »Spinnst du? Natürlich nicht.«
    »Danke«, sagte Judith, nun wieder in halbsarkastischem Ton. Sie holte tief Luft und strich sich über die Stirn. »Im Ernst. Ich meine das wirklich so. Danke. Ohne euch …« Sie suchte nach Worten, die nicht schal klangen.
    Kim nahm sie in den Arm und schwieg.
    »Wir müssen gehen«, sagte Niels, als der Gong zum ersten Mal ertönte. »Bist du sicher, dass du den Tag überstehst?«
    Judith schüttelte langsam den Kopf. »Da bin ich mir nicht so sicher. Aber jetzt bin ich hier. Und werde nicht flüchten.«
    »Es wäre keine Flucht«, sagte Kim.
    »Doch, für mich schon. Was Jan mir angetan hat, ist schlimm genug. Und wenn jemand glaubt, dass Jan Zoey getötet hat, weil er hoffte, auf diese Weise mit mir zusammenzukommen, dann muss ich mich dem stellen.«
    Sie gingen hinauf in den zweiten Stock, zum Biologie-Kursraum. Judith spürte, wie sich die Blicke ihrer Mitschüler in ihren Rücken bohrten. Sie hörte das Getuschel und fühlte die Feindseligkeit der anderen. Sie biss die Zähne zusammen, drückte den Rücken durch und zwang sich, jedem, der ihr begegnete, in die Augen zu sehen. Als sie sich an ihren Tisch in der letzten Reihe beim Fenster setzte, rief Jans leerer Platz neben dem ihren ein Gefühl verzweifelter Beklommenheit hervor. Einige aus dem Kurs drehten sich neugierig nach ihr um, andere schauten demonstrativ aus dem Fenster oder suchten etwas in ihren Taschen. Kim und Niels, die eigentlich weiter vorne saßen, zogen mit ihren Stühlen nach hinten um und nahmen Judith in die

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