Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
der fünfzehnjährige Junge nicht.
Der dritte Vermisstenfall in unmittelbarer Umgebung von Awleys Haus ereignete sich am 22. Juni 2002. Die fünfzehnjährige Paula Macolovic war von einer Klavierstunde nicht nach Hause gekommen. Ihre Route führte nicht direkt am Haus der Awleys vorbei, aber Paulas Elternhaus lag in der Nachbarschaft. Zwei Teenager, ähnlich alt und in derselben Kleinstadt? Es lag nahe, dass sich Will Awley und Paula Macolovic gekannt hatten. Klara suchte die Vermisstenmeldung aus der Zeitung. Ein hübsches Mädchen. Sie schnippte mit den Fingern über den rauen Rand der alten Zeitungen, während sie nachdachte. Ihr Index listete keine Artikel, in denen die Familie des Gouverneurs mit Paula Macolovic in Verbindung gebracht wurde. Klara legte die Zeitung beiseite und suchte die Regalreihen ab. Es dauerte nicht lange, bis sie in dem Stadtarchiv die Highschool-Jahrbücher gefunden hatte. Sie nahm fünf Jahrgänge unter den Arm und trug sie zurück zu ihrem Tisch. Schon im ersten wurde sie fündig. Die beiden waren auf dieselbe Schule gegangen. Zumindest ein Halbjahr. Will Awleys Bild entsprach einer jungen Version seines Vaters: kurz getrimmte Haare, ein breites Grinsen mit einer perfekten Zahnreihe. Ein Musterjunge für einen Mustergouverneur. Klara zog das Telefon aus der Tasche. In dem Artikel war der Klavierlehrer namentlich genannt. Es dauerte nicht lange, bis sie seine Nummer in dem tatsächlich noch gedruckt vorliegenden Telefonbuch von Hyannis Port gefunden hatte.
»Mr Tebby, entschuldigen Sie, dass ich Sie einfach so anrufe. Hier spricht Klara Swell, und ich habe Ihre Nummer von Diane Awley.«
Tebby schien nicht überrascht.
»Sie hat mir erzählt, dass Sie doch die Kinder des Gouverneurs unterrichtet haben, und da fragte ich mich, ob Sie noch …«
Tebby widersprach.
»Aha, also nur seine Tochter? Geige, sagen Sie? Das wusste ich gar nicht, dass sie Geige gespielt hat als Kind.«
Tebby unterrichtete immer noch und wollte Klaras Tochter gerne zu einer Probestunde annehmen. Klara versprach, sich wieder bei ihm zu melden.
Klara hatte ihre Verbindung zwischen der vermissten Paula und den Awleys gefunden. Und trotzdem blieb die große Frage, was damals wirklich passiert war. Sicherlich war der Klavierlehrer eingehend befragt worden. Es war nahezu unmöglich, dass er ein Gewaltverbrechen an Paula hätte begehen können, ohne dass es herausgekommen wäre. Sie hätten seine Wohnung nach Blutspuren untersucht, den gesamten Weg von ihm zu ihrem Elternhaus. Also war Paula nicht bei ihrem Klavierlehrer gewesen. Er hatte es möglicherweise behauptet, weil er die Awleys kannte oder weil ihn der Gouverneur eingeschüchtert hatte. Oder weil er ihn dafür bezahlt hatte. Wenn sie also bei Will gewesen war an diesem Tag? Und wenn etwas passiert wäre?
Plötzlich wusste Klara, welches Puzzlestück ihr noch fehlte. Noch einmal nahm sie sich einen Zeitraum von vier Wochen um Paulas Verschwinden vor. Nur diesmal suchte sie nach einer Leiche. Einer, die man mit Paula verwechseln konnte. Oder könnte. Wenn man … Klara fasste ihren Suchradius noch ein wenig weiter. Sie suchte eine Leiche. Und jemanden, der es vertuschen könnte. Und der in Verbindung mit Allistair Awley stand. Sie hatte ihn fast. Und damit auch den Grund, warum seine Freunde von der One Nation for America ihre Stiftung so großzügig unterstützt hatten.
Kapitel 57
Quantico, Virginia
Donnerstag, 18. Oktober
»Ihr Name ist Amelia, Sam«, sagte Tom, dessen Stimme trotz der elektronischen Verzerrung ruhig und selbstbewusst klang. Der blau geringelte Oktopus pumpte seinen kleinen Körper über eine Koralle, als er das sagte. Es war das Erste, was er bei ihrem zweiten Gespräch sagte. Und Sam schoss das Blut in den Kopf. Er winkte Shirin zu sich heran, kritzelte ›Emilia‹ auf einen Zettel und unterstrich den Namen doppelt. Shirin riss ihm das Papier aus der Hand.
»Danke, Tom«, sagte Sam. Auch wenn ich mir fast sicher bin, dass du selbst überprüft hast, wie viele Namen übrig bleiben. Und dass es zu viele sein werden.
»Gerne geschehen, Sam. Ich habe eingesehen, dass du unter den gegebenen Umständen recht haben könntest. Wobei wir damit die Frage aufwerfen: Was ist Fairness?«
»Wie fair ist fair, Tom?«, fragte Sam, während das Blut an seinen Schläfen pochte. Er starrte auf den Bildschirm, während er mit dem rechten Arm wild in Shirins Richtung gestikulierte. Sie kam zurück, darauf bedacht, nicht selbst ins Bild zu
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