Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
erwarteten sie noch mehr Polizisten. Und sie standen vor Hernandez’ Wohnungstür. Klara zückte ihren Ausweis. Wollen wir doch mal sehen, ob das gute Stück wirklich funktioniert, dachte Klara und marschierte mit vermeintlich standesgemäßer FBI -Arroganz auf die Beamten zu.
»Klara Swell vom Büro in Quantico«, verwendete sie pflichtgemäß exakt die von Stein vorgegebene Formulierung.
Die Beamten warfen nur einen flüchtigen Blick auf ihr Abzeichen. Aber passieren ließen sie Klara trotzdem nicht ohne Weiteres: »Und was bitte schön hat das FBI mit diesem Fall zu tun? Soweit wir das absehen können, handelt es sich nur um einen Taxifahrer.«
»Wir unterstützen die DEA im Rahmen eines Amtshilfeersuchens«, verwendete Klara die erstbeste Ausrede, die ihr einfiel. »Wir wissen noch nichts Genaues, und mein Besuch ist auch eine rein informelle Angelegenheit, aber möglicherweise ist Mr Hernandez in Drogengeschäfte verwickelt.« Klara hoffte, dass das logisch klang. Sie hätte es vermutlich geglaubt. Viele weiße Polizisten in New York waren überzeugt, dass alle Mexikaner irgendwie in Drogengeschäfte verwickelt waren. Dass sie den Namen des Mannes kannte, dürfte ihr noch ein Quäntchen mehr Glaubwürdigkeit verleihen. Die Beamten traten zur Seite und nickten ihr nicht besonders freundlich zu.
Klara war sich mittlerweile im Klaren, was das Aufgebot an Polizei und Spurensicherung bedeutete. Letztere war glücklicherweise schon fertig, und so konnte Klara das Apartment betreten, ohne selbst Schutzkleidung anlegen zu müssen. Hernandez lebte ein einfaches Leben und war ein ordentlicher Mann, seine Wohnung war mit alten Möbeln aus den Siebzigerjahren eingerichtet, die aber allesamt sehr gepflegt aussahen. Im Flur standen eine lange Anrichte und ein Garderobenständer, die Jacken auf Bügeln. Daneben ein Schlüsselbrett mit sauber nebeneinanderhängenden Schlüsselbünden. Der Teppichboden war so platt getreten und trotzdem so sauber, dass Klara den jahrelangen Gebrauch von Hausschuhen vermutete. Auf der Anrichte lag ein in Leder gebundener Kalender. So ein altmodisches Ding mit einer Schnalle und Magnetschließe. Enrigo hatte sein Leben im Griff gehabt. Und seine Termine. Ein Pedant, der mit Sicherheit alles, was wichtig war, notiert hatte. Klara blätterte durch die linierten Seiten. Sie war nicht hinter den aktuellen Einträgen her, sondern suchte zielsicher nach dem 11. Juni, dem Tag, an dem Adrian von Hernandez aufgelesen worden war. Es gab einige Termine, auch an den Tagen davor und danach, die meisten sahen auf den ersten Blick einigermaßen kryptisch aus. Klara fotografierte die Seiten mit ihrem Handy und beschloss, es mit ihren neu gewonnenen Kompetenzen nicht gleich am ersten Tag zu übertreiben. Das Wichtigste war ohnehin herauszubekommen, was mit Hernandez passiert war. Im krassen Gegensatz zur peniblen Ordnung im Flur herrschte im Wohnzimmer ein heilloses Chaos. Möbel waren umgestürzt, und auf jedem freien Flecken in dem kleinen Raum schien ein Officer zu stehen. Klara hielt den Atem an. Mittendrin, auf einem Couchtisch, lag Enrigo in einer Lake aus getrocknetem Blut. Er trug einen Anzug, wie zu seiner eigenen Beerdigung. Sogar die Krawatte hing ihm noch um den Hals, blutverkrustet und mit seinem Hemd verklebt. Es roch nach Eisen und Kot. Seine Halsschlagadern waren aufgeschnitten, jede einzeln mit einem kurzen Schnitt. Das Werk eines Profis. Enrigo Hernandez war in seinem eigenen Wohnzimmer verblutet. Das Telefon lag, von einer Kommode heruntergerissen, neben ihm. Er hatte die Polizei nicht mehr erreicht, das konnte selbst Klara erkennen. Nicht nur Fliegen schwirrten um die Wunden und Aughöhlen, bestimmt wühlten sich schon Maden durch seine Eingeweide, auch wenn sie Klara von ihrem Posten im Türrahmen aus nicht mit bloßem Auge erkennen konnte. Und sie hatte keinerlei Absicht, etwas an diesem Abstand zu verändern. Sie hatte genug gesehen: Enrigo Hernandez war tot, und zwar seit deutlich mehr als ein paar Tagen. Ohne auch nur mit einem der Beamten zu sprechen, drehte sie sich um und lief aus der Wohnung, die Treppe hinunter, an die frische Luft. Es waren keine guten Nachrichten, die sie Adrian zu überbringen hatte. Denn es warf nicht gerade ein vertrauenserweckendes Licht auf seine Geldgeber. Wenn Klara ehrlich war, ließ es die ganze Sache sogar verdammt zwielichtig aussehen. Irgendetwas stank da zum Himmel, und es war nicht nur Hernandez’ Leiche.
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Sam Burke saß in einem
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