Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
Kilogramm, die ihn nur noch harmloser aussehen ließen. Dessen Augen beim Gedanken an seine Organsammlung nervös in ihren Höhlen umherwanderten. Der manchmal spuckte, wenn er erzählte, wie schwierig es war, die Organe sauber mit dem Küchenmesser seiner Mutter zu entfernen. Und wie sich das Blut über den Küchenboden ergoss wie ein Eimer roter Farbe.
Als sie den Bus erreichten, der sie zurück nach Cambridge bringen sollte, hörte Sam ein vertrautes Wummern. Ein großer V 8-Motor. Tief, grimmig und wenig kompromissbereit. Nicht der gemütliche Reisebus. 444 PS . Der ›Boss‹. Es kam von einem nicht einsehbaren Parkplatz. Er grinste. Für einen kurzen Moment dachte er an seine Studenten, die nun alleine nach Boston zurückfahren würden. Die jetzt ohne seine Hilfe mit Snow fertigwerden mussten. Aber früher oder später mussten sie es lernen. Menschen wie Karel Snow waren ihr Beruf. Den Sam aufgegeben hatte. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als einer der profiliertesten Serienmörderjäger des FBI hatte er hingeschmissen. Für die Frau, die mit dem Boss hinter dem Bus auf ihn wartete. Klara ›Sissi‹ Swell. Die so zerbrechlich aussah wie die österreichische Kaiserin. Keine 1,68 groß. Lockige Haare, mehr Muskeln, als man so einem zierlichen Körper zugetraut hätte. Allerdings deutlich älter, als man die Kaiserin in Erinnerung hatte. Und der Boss passte auch nicht wirklich zum Image einer Prinzessin. Er verabschiedete sich von seinen Studenten und lief um den Bus herum. Er freute sich, sie zu sehen. Wie jeden Tag, wenn er nicht in Boston sein musste, sondern in ihrer gemeinsamen Wohnung in New York. Er pendelte jetzt seit etwas über einem Jahr, einen Ruf von Harvard lehnte man schließlich nicht ab. Natürlich nicht. Als er die Front des Busses umkurvt hatte, blendete ihn die Sonne. Seine Augen brauchten einen kleinen Moment, um sich auf das gleißende Licht einzustellen, aber dann sah er sie an der riesigen Motorhaube lehnend. Spöttisch grinsend, wie immer. Lederjacke, Sonnenbrille, Jeans, Bikerboots. Dazu mehr Rennmaschine als Auto. Ford Mustang Boss 302. Das neueste Modell. Ein vollkommener Überfluss an Leistung. Es sah aus wie ein Spielzeugauto. Wenig kaiserlike, aber er musste zugeben, es passte zu ihr. Klara liebte schnelle Autos. Und er liebte nun mal Klara. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, als er sie umarmte. Er schob eine goldblonde Locke hinter ihr rechtes Ohr: »Du holst mich ab?«
»Wenn du schon einmal in New York bist. Außerdem war ich gerade in der Gegend, bei einem furchtbar langweiligen Kunden.«
Eine kurze Pause. Dann der Nachsatz: »Wie ich das ständige Rumgegurke hasse.«
Sam schwieg. Seit sie beide ihre Jobs beim FBI aufgegeben hatten, war ihre Arbeit als Privatdetektiv ein ständiges Streitthema. Scheinbar konnte sie sich nur schwer damit abfinden, nicht mehr im Rampenlicht zu stehen. Das hatte er ihr allerdings nur einmal und nie wieder in dieser Deutlichkeit gesagt. Statt darauf einzugehen, begnügte sich Sam mit Small Talk. Klara gab Gas, und er wurde tiefer in seinen Sitz gedrückt. Als sie auf den Highway fuhren, schnallte Sam sich an. Man konnte ja nie wissen. Mitten in einem selbst für Klaras Verhältnisse halsbrecherischen Überholmanöver, bei dem der Boss um ein Haar den rechten Außenspiegel eingebüßt hätte, fragte sie beiläufig und mit leicht ätzendem Unterton: »Und, Schatz? Wie war dein Tag?« Zum ersten Mal seitdem sie mit Snow fertig waren, dachte Sam wieder an den Brief in seiner Tasche auf dem Rücksitz. An IHN . Was, wenn ihn sein Gefühl nicht täuschte? Was, wenn der Brief authentisch war? Klara durfte auf keinen Fall von dem Brief erfahren. Er würde nach dem Wochenende entscheiden, wie er damit umgehen sollte.
»Die Studenten waren so schockiert, wie ich mir das erhofft hatte. Ansonsten war Boston langweilig wie immer«, log Sam.
Kapitel 2
Manhattan, New York
Montag, 11. Juni
Adrian von Bingen starrte ins Leere und lauschte dem Summen der Klimaanlage, die sich mit dem heißesten Sommer seit vierzig Jahren redlich abmühte und den Kampf nicht gewinnen konnte. Auf dem Schreibtisch in der kleinen Kammer neben seiner Restaurantküche, die er als Büro bezeichnete, stapelten sich Rechnungen von vier Monaten. Als hoffnungslos betrachtete er das Schlamassel jedoch nicht – zumindest öffnete er die Briefumschläge noch. Pia hatte ihn gewarnt, dass zwölf Plätze für ein Restaurant einfach nicht ausreichten, egal, wie gut er kochte.
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