Ich bin dein Mörder: Thriller (Sam Burke und Klara Swell) (German Edition)
Welch eine Ironie: Gäste mussten Monate im Voraus reservieren, die Restaurantkritiker beschwerten sich unisono über den winzigen Gastraum, aber über den Service in Wohnzimmeratmosphäre oder seine Kochkünste mokierte sich niemand, im Gegenteil. Kaufen konnte er sich von den positiven Rezensionen allerdings auch nichts, und die für nächste Woche geplante Stiftungsgründung fiel natürlich ins Wasser. Pia und ihr Chef, der Anwalt Thibault Stein, hatten die Verträge über Wochen ausgearbeitet. Alle standen in den Startlöchern, nur er nicht. Was zum einen am Restaurant lag und zum anderen daran, dass er sich weigerte, seine Eltern um das Startkapital zu bitten. Seit er mit Pia zusammen war, lief es besser zwischen ihm und seinem Vater. Oder zumindest nicht mehr unterirdisch schlecht. Aber das Geld für die Stiftung würde er trotzdem alleine besorgen. Ich muss das einfach schaffen, sinnierte er und nahm eine zwei Monate alte Rechnung seines Bäckers zur Hand, als sich ein riesiger Styroporkarton durch die Tür schob. Außer zwei kleinen fleckigen Händen war nichts Menschliches zu erkennen, als sich das Ungetüm wie von selbst auf den Papierstapel fallen ließ. Der Turm geriet ob des unachtsam platzierten Neulings ins Rutschen und wäre direkt in seinem Schoß gelandet, wenn er nicht eingegriffen und das wackelige Konstrukt mit der zweimal gefalteten Bäckerrechnung stabilisiert hätte.
»Shushu, was soll das?« Jeder nannte den winzigen Chinesen so, obwohl er Xǔ Shu hieß und ein »Mister« vor seinen Unternehmensnamen gesetzt hatte: Mister Xǔ Shu Fish Co. Einer der zuverlässigsten und besten Fischlieferanten der Stadt. Und für alle eben Shushu, was ausgesprochen wie Schuh-Schuh klang.
»Der feine Herr zahlt seine Rechnungen nicht«, beschwerte sich Shushu hinter seinem Karton. Er klang verärgert. Aber er lieferte noch, das war eine gute Nachricht. Adrian roch die vertraute Meeresbrise allerfrischester Angelware aus dem Atlantik. Premium-Qualität. Die ihren Preis hatte. Aber Shushus Fische waren jeden Preis wert.
»Shushu, kein Problem.« Adrian stemmte sich aus dem verbogenen Schreibtischstuhl, dessen eine Lehne nur noch wackelig an der Seite herunterhing, und griff in die Hosentasche seiner Jeans. Er ging um die Styroporbox herum und öffnete sie, beugte sich über das Eis, unter dem die bestellten Flundern und der Thunfisch schlummerten. Er inhalierte tief, um Shushu gegenüber seine Bewunderung für dessen Handwerk zum Ausdruck zu bringen. Ein äußerst wichtiger Aspekt, wenn seine Strategie aufgehen sollte. In der engen Tasche seiner Jeans zählte er fünf Scheine von einem Bündel der gestrigen Tageseinnahmen. Links Zwanziger, rechts Hunderter. Er zog die linke Hand aus der Tasche und zerknüllte die Scheine ein wenig, damit sie nach mehr aussahen, und drückte Shushu den viel zu kleinen Betrag in die Hand. »Toller Fisch, Shushu. Du bist der Beste.«
Shushu starrte auf das Bündel in der Hand. »Ich habe Sie gegoogelt, Sie sind ein Baron oder so etwas. Ich dachte immer, die haben Geld wie Heu.«
Adrian fragte sich zum wiederholten Mal, ob er trotz oder wegen seines Titels ständig pleite war. »Nix mehr da, Shushu. Seit hundert Jahren heißt so ein Titel nichts, gar nichts mehr.«
Die Augen des Chinesen finden an zu leuchten: »Hattet ihr eine Revolution?«
»Na ja, das leider gerade nicht«, antwortete Adrian wahrheitsgemäß. »Aber so etwas Ähnliches.« Historische Akkuratesse brachte ihn sicherlich nicht weiter. Shushu nickte. »Okay, zahlst du den Rest nächstes Mal.« Adrian blickte versöhnlich. Er hörte die kurzen Schritte durch sein Restaurant eilen, packte sich die Styroporkiste und trug sie in die Küche. Es war noch keiner da, sein Spüler war wieder zu spät. Aber Adrian hatte noch einen Termin, den er auf keinen Fall versäumen wollte, obwohl er nicht gerade angenehm auszugehen drohte: Er würde Pia und Thibault Stein erklären, dass sie das Stiftungsprojekt vorerst auf Eis legen müssten.
Beim Rausgehen schnappte er sich die Bäckereirechnung, einen Stift und Klebeband. Auf der Rückseite des Umschlags notierte er einen Hinweis für seine Lieferanten, alles beim Nachbarn, einem furchtbar bunten Esoterikladen, abzugeben, dessen Besitzer einen großen Bart und viel Zeit hatte und in dem es stark nach Patschuli roch. Aber ein paar Stunden würden seine kostbaren Lebensmittel schon nicht kontaminieren. Obwohl man bei kalifornischen Hippie-Räucherstäbchen nie wissen konnte,
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