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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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gemacht, als wir zum Castor-Transport abkommandiert wurden, aber dass sie besonderen Horror vor den Behältern hatte … Nein, nicht mehr als wir alle.»
    Albrecht nickte. «Ähnlich dürfte es sich mit Ole Hartung verhalten haben. Niemand würde sich wünschen,
so
zu sterben», sagte er leise. «Doch Kommissar Hartung war Profi, und seine Einblicke ins Rotlichtmilieu gingen tiefer als bei den meisten von uns. Wenn eine besondere Angst da war, hätte ich das gewusst.»
    Er verstummte.
    Kann ich mir da wirklich sicher sein?
    Er versuchte, sich Gespräche mit Hartung ins Gedächtnis zurückzurufen. War da irgendwann der Hauch einer ganz besonderen Furcht gewesen? Nein. Nichts, auf das er den Finger hätte legen können.
    «Zu Professor Möllhaus kann ich in dieser Hinsicht wenig sagen», fuhr er fort. «Aber ich werde mit Jonas Wolczyk reden – einem seiner Doktoranden. Und die Stahmke …»
    «Ihr Kostüm ist ziemlich hin nach der Sache im Sumpf», murmelte Friedrichs. «Das hätte ihr sicher nicht gefallen. Aber ob das ihre besondere persönliche Angst war …»
    Albrecht hob die Hand. «Die Furcht, ersticken zu müssen, gehört zu den schrecklichsten und grundlegenden Ängsten des Menschen. Zynischerweise tritt – unabhängig von der allgemeineren Todesursache, der tödlichen Krankheit – der Tod am Ende faktisch immer durch Ersticken ein, weil der Organismus nach dem Herzstillstand nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden kann.»
    «Also eine … kollektive Angst?»
    «Zurschaustellung des toten Körpers in einer entwürdigenden Situation. Radioaktivität. Lebendig begraben werden. Und Ersticken. – Sind das nicht alles kollektive Ängste? Sie sind weniger exotisch als Klaustrophobie oder die Angst, in der Öffentlichkeit zu urinieren. Weniger irrational. Mit einem Wort: Sie sind wie geschaffen, das Wort Angst zu buchstabieren.»
    «Und das bedeutet?»
    «Öffentlichkeit.» Albrecht biss die Zähne zusammen. «Freiligrath hat das Phänomen der Angst an einzelnen Individuen erforscht. Unser Täter geht einen Schritt weiter: Er erprobt es an größeren Gruppen. An der Allgemeinheit …» Er zögerte.
    Denk an Heiner Schultz! Denk an Sokrates!
    «Das wäre eine Möglichkeit», fuhr er fort. «Ebenso vorstellbar erscheint allerdings, dass die Öffentlichkeit nur ein Mittel zum Zweck für ihn darstellt: um uns zusätzlich unter Druck zu setzen.»
    Die Kommissarin nickte langsam.
    «Aber nichts von dem, was wir bisher angesprochen haben, ist der eine, große, der entscheidende Unterschied», betonte Jörg Albrecht.
    Er sah die beiden Frauen an und konnte erkennen, wie es in Friedrichs’ Kopf arbeitete.
    Es war so deutlich. Dermaßen deutlich, dass man schlicht darüber hinwegsehen konnte.
    «Wie sind die Opfer des Traumfängers gestorben?», fragte er.
    Friedrichs stutzte. Zwei Sekunden, dann riss sie die Augen auf. «Natürlich», flüsterte sie. «Mein Gott, ich erinnere mich, wie damals gestritten wurde, wofür man Freiligrath überhaupt verurteilen sollte. Er hat zwar alles gestanden, aber gleichzeitig … er hatte die Leute nicht mal angerührt!»
    «Höchstens in Einzelfällen», bestätigte Albrecht. «Den Mann im Elbtunnel, den Toten am Strand …» Leiser. «Der einzige Fall, in dem er konkrete körperliche Gewalt ausgeübt hat, war das Kind – und das allein hätte schon ausgereicht für die Höchststrafe.
    Freiligraths Opfer starben durch ihre Angst. Unser Täter dagegen setzt zwar auf kollektiv angstbeladene Situationen, übt dann aber unmittelbare Gewalt aus. Seine Taten sind als Morde zu klassifizieren, kein Jurist würde das in Zweifel ziehen.
    Doch so fundamental der Unterschied zwischen dem Traumfänger und unserem Täter auch ist: Die Verbindung ist da. Die Auswahl der Opfer und das Element der Angst macht sie überdeutlich. Unser Mörder zeigt auf Max Freiligrath, den Traumfänger. – Mit blutbesudelten Fingern.
    Davon abgesehen aber haben alle unsere bisherigen Schlussfolgerungen weiterhin Bestand. Von der Typisierung unseres Täters müssen wir nichts zurücknehmen: Er ist wandlungsfähig und hochintelligent, und möglicherweise hat er diese Taten sehr lange im Voraus geplant. Und aus irgendeinem Grunde hat er sich auf Max Freiligrath eingeschossen.»
    Friedrichs biss die Zähne zusammen.
    «Faber und die anderen müssen sich auf der Stelle die Traumfänger-Akte vornehmen!»
    Der Hauptkommissar nickte. «Das müssen sie. Allerdings wird sie noch nicht digitalisiert sein. Es wird

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