Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
Geheimnis machte. Doch die Wahrheit war, dass mir viel zu viele Dinge im Kopf herumgingen, und fast alle drehten sich mehr oder weniger um die verflixte Ermittlung.
    Morgen früh Punkt acht würde ich auf dem Revier sitzen und diese Ermittlung leiten, die größte in der Geschichte von PK Königstraße, seitdem ich dabei war.
    Was ich bis dahin tun konnte, hatte ich getan, während ich zum Autohof unterwegs gewesen war. Ich hatte Faber angerufen, ihn über die neuen Entwicklungen informiert, soweit es die gab, und hatte ihn gebeten, bei der Freiligrath-Akte ein besonderes Auge auf mögliche Mitwisser, Traumfänger-Jünger und so weiter zu haben. Das würde er tun. Jetzt gleich. Er teilte sich die Nachtschicht mit Matthiesen. In diesem Moment war mir klar geworden, dass es Matthiesens zweite Nachtschicht hintereinander war, und in der Nacht davor hatte Faber
meine
Schicht übernommen.
    Und die Frau, die nun den gesamten Vorgang leitete, machte sich in einem Kleid mit Schlitz bis zum Hintern einen bunten Abend mit einem potenziell Tatverdächtigen.
    «Es …», murmelte ich. «Es tut mir leid. Vielleicht war es ein Fehler.»
    Streng hob er die Augenbrauen. Diese Möglichkeit stand nicht zur Debatte.
    Und natürlich war es kein Fehler gewesen. Nur dass ich ihm die Wahrheit schlecht sagen konnte:
Wenn du heute Nacht hier bei mir in Braunschweig bleibst, und wir haben morgen in Hamburg den nächsten Toten, weiß ich zumindest, dass du es nicht gewesen sein kannst.
    Dass die nächste Leiche nicht in der Elbe treiben könnte, sondern in der Oker, war mir wieder einmal zu spät aufgegangen. Und heute Abend hatte ich mich nicht mal mit einer Nachricht an meine Mailbox abgesichert.
    «Du bist hier», stellte er fest und griff nach meiner Hand. «Es ist dein Kopf, der woanders ist.»
    «Frag mich mal, wo», murmelte ich.
    Ein mutwilliges Funkeln glomm in seinen Augen auf:
Ich hätte da ein, zwei Ideen.
    Dann hätten wir uns gleich ein billiges Motel suchen sollen, dachte ich. Oder ein teures, schließlich hielt der Mann auf Klasse. Und das Kleid hätte ich mir sparen können.
    Doch seltsamerweise …
    Vielleicht war das ja normal bei einem Mann, der in jedem Gerichtssaal ein anderes Mädchen hatte, aber Joachim Merz wusste ganz einfach, welchen Knopf er zu drücken hatte. Wie er eine Frau dazu brachte, umzuschalten, von einem Atemzug auf den anderen.
    Es war nicht sein Blick allein, auch nicht seine Hand, die meine Finger an seine Lippen führte, die die Spitzen nur andeutungsweise berührten. Es war keines von beiden, vielleicht nur seine Haltung, die sich höchstens um Nuancen veränderte, sodass alles auf einmal anders war.
    Als ob alles um uns herum, das Licht der Straßenlaternen, die weichen Schatten auf dem Kopfsteinpflaster, die ferne Ahnung von Musik und Gelächter, selbst das gedämpfte Brummen des Verkehrs – als ob all das auf einmal nur noch für mich allein da wäre. Als ob er mir diese Stadt überreichte wie ein geheimnisvolles Geschenk.
    Seine Lippen waren plötzlich nur noch Zentimeter von meinen entfernt.
    «Ich will dich festhalten», sagte er leise. «Am liebsten würde ich dich anketten, dich nie wieder gehen lassen. Doch ich weiß, dass das nicht möglich ist. Das Morgen gehört mir nicht.» Meine andere Hand, die Berührung seiner Lippen. «Nur das Jetzt. Aber das …» Der Druck um meine Finger wurde fordernder. «… ganz und gar.»
    Ein Schauer lief über meinen Rücken. Erst jetzt wurde mir die Kühle des Abends bewusst, und gleichzeitig fühlte meine Haut sich heiß und fiebrig an.
    «Wollen wir wirklich …», fragte ich vorsichtig, «… noch irgendwo hingehen?»
    Das billigste und schäbigste Stundenhotel wäre mir mit einem Mal gut genug gewesen. Solange es gleich nebenan war.
    Wir waren in einem Winkel der Altstadt stehen geblieben. Ein paar Schritte weiter mündete die Fußgängerzone mit ihren kleinen Bars und Geschäften in eine belebtere Straße.
    Autoverkehr. Quer gegenüber wurde ein repräsentatives Gebäude von Scheinwerfern angestrahlt, ein Theater oder eine Oper, flankiert von Bäumen und einem kleinen Park.
    «Komm», flüsterte er – und war schon halb über die Straße, ich mit ihm. Die Schuhe mit den sieben Zentimeter hohen Absätzen hatten zu meinem Abend-Paket gehört, und bisher war ich auf ihnen zurechtgekommen, ohne hinzufallen. Eine Kuhmagd vom Dorf war ich ja auch nicht.
    Aber jetzt stieß ich an meine Grenzen. Zum Glück merkte er das, wurde etwas langsamer und

Weitere Kostenlose Bücher