Ich bin der Herr deiner Angst
war. Aber die Bilder sehen aus wie die meisten von unseren Phantombildern. Haben nicht mal eins mit dem anderen viel Ähnlichkeit.»
«Aber wir haben sie noch?», hakte ich ein.
Ein Nicken. «Liegen in der Akte. Wir können sie an die Presse geben. Wenn wir denen erzählen, es hat mit unserem Fall zu tun, nehmen die alles im Moment.»
Ich zögerte. Wenn wir die Bilder weitergaben, würden wir erklären müssen, dass sie über zwanzig Jahre alt waren und die dargestellte Person sich entsprechend verändert haben musste. Und vermutlich waren diese Zeichnungen bereits damals in Umlauf gewesen. Damit würde unsere Traumfänger-Theorie öffentlich werden. Es war ohnehin schon ein mittelgroßes Wunder, dass das nicht längst der Fall war – auch ohne Margit Stahmke.
«Ich spreche mit Albrecht», sagte ich. «Und ich selbst will sie mir auf jeden Fall mal ansehen. Gut. Dann machst du so weiter. – Marco?»
Sichtlich widerstrebend wurde der Laptop zugeklappt.
«Stahmkes Reportagen von damals haben wir jetzt. Digitalisiert. Ich schick sie dir per Mail, okay?»
Ich nickte.
«Kanal Neun mauert noch», murmelte er.
«Wenn sie heute Mittag noch mauern, ruf ich die Lorentz an», versprach ich.
«Okay. – Nils?»
Ein Blinzeln. «Ich dachte mir, ich geh vielleicht noch mal ins
Fleurs du Mal
– mit den Phantombildern jetzt.»
«
Ich
dachte mir, du unterstützt vielleicht Max Faber bei der Durchsicht der Traumfänger-Akte.»
«Stimmt.» Blinzeln. «Das könnte ich auch machen.»
Ich sah zu Werfel und Jelinek. «Setzt ihr beide euch da bitte auch mit ran. Wir brauchen eine komplette Übersicht seiner Kontakte von damals. Wenn sie nach der Inhaftierung weiter aktiv waren, umso wichtiger.»
Ein letzter Blick in die Runde. Keine weiteren Wortmeldungen. Ich dankte allen, setzte eine neue Besprechung für den frühen Nachmittag an – und atmete auf, als sie einer nach dem anderen den Raum verließen.
«Hat doch gut geklappt.» Irmtraud Wegner zwinkerte mir zu, bevor sie sich durch die Tür schob.
Ja, dachte ich. Das hatte es.
Ich schnappte mir meine Notizen, ging hinüber in mein Büro und fuhr den Rechner hoch. Ich sah auf die Uhr. Zehn vor zehn. Unser Chef hatte vor meinem Eintreffen bei Faber angerufen und sich auf den neuesten Stand bringen lassen. Ich hatte nichts anderes erwartet. Ganz gleich, wem er vor Ort die Leitung anvertraute: Ich wusste, wie nervös er werden konnte, wenn er keine Möglichkeit hatte, uns in Echtzeit auf die Finger zu sehen.
Bei mir würde er sich melden, sobald er sein wissenschaftliches Gespräch hinter sich hatte.
Das Mailprogramm. Ich sah, dass neue Nachrichten eingetroffen waren, doch der Rechner lud und lud … Natürlich, Winterfeldts Videodatei von Stahmkes alten Berichten.
Endlich, die Mails wurden angezeigt.
Kein Winterfeldt.
Drei, vier Schreiben, die sich mit anderen Fällen beschäftigten.
Und ein …
Ich starrte auf die Betreffzeile.
Ich bin der Herr deiner Angst.
Eine Google-Adresse. Das konnte jeder sein.
Ein sehr, sehr unangenehmes Gefühl in meinem Magen.
Ich klickte die Nachricht an. Unsere Virensoftware war das Beste, was auf dem Markt war.
Kein Mailtext, lediglich ein Anhang.
Eine Videodatei.
Doch von Marco Winterfeldt, dem Spaßvogel?
Doppelter Klick. Das Videoprogramm öffnete sich.
Schwärze.
Verschwommene Schatten, im ersten Moment kaum zu erkennen, was vor sich ging. Ein Kampf. Nein.
Nein!
Die Kamera zoomte näher heran.
Aus nächster Nähe blickte ich in mein eigenes, zu einer Grimasse verzerrtes Gesicht.
Ich keuchte – doch das Keuchen kam aus dem Rechner. Die Laute meiner Lust mischten sich mit Joachims heiserem Stöhnen, während er mich gegen einen Baum presste und von hinten nahm.
***
«Ich hab ihn Kaffee holen geschickt», wisperte Hauptkommissar Rabeck. In seinen Augen glomm es unheilvoll. «Er kennt meine Lieblingssorte, aber nur ich weiß, dass sie in der ganzen Stadt nicht zu kriegen ist.»
Jörg Albrecht nickte verstehend.
Offenbar würden sie bei dieser Besprechung auf die Anwesenheit von Kriminalkommissar Cornelius verzichten müssen.
Rabeck hatte sich in Ruhe angehört, welche Schritte sein Hamburger Kollege in Königslutter unternommen hatte. Erleichtert hatte Albrecht festgestellt, dass der Niedersachse kein Problem damit hatte, dass er wildernd in dessen Revier eingedrungen war. Genauso wenig schien Rabeck sich an Maja Werdens Gegenwart zu stören, während sie Aspekte der laufenden Ermittlung besprachen.
Die
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