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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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Dinge, so wie sie sind, dachte Albrecht. Er nimmt sie einfach hin.
    Wie weit mochte der ältere Ermittler noch von der Pensionierung entfernt sein? Zwei Jahre, drei?
    Werde ich auch so denken, wenn es bei mir so weit ist?
    «Und wie sind Sie selbst mit den Ermittlungen vorangekommen?», erkundigte er sich.
    Rabeck seufzte, drehte einen Halbkreis auf seinem Bürostuhl und griff nach einem Aktenordner, den er zwischen ihnen auf dem Tisch ablegte und aufschlug.
    Albrecht und die Psychologin beugten sich ein Stück vor. Eine Handvoll DIN -A4-Seiten. Auf der obersten war eine Aufnahme des Fundorts auf dem Magnifriedhof angeheftet, dazu ein knappes Protokoll der Entdeckungen, die in Jörg Albrechts Gegenwart gemacht worden waren.
    Rabeck blätterte um.
    «Ist eine ruhige Gegend da», bemerkte er. «Eine Gegend, von der Sie sich wünschen würden, dass Ihre Kinder dort aufwachsen.» Ein Nicken Richtung Maja Werden. Nicht zu deuten, ob er die Doktorandin selbst als noch nicht vollständig ausgewachsen betrachtete oder auf deren potenziellen Nachwuchs anspielte. «Einer kennt den anderen. Man weiß Bescheid, was beim Nachbarn mittags auf den Tisch kommt. Da funktionieren die alten Strukturen noch.»
    Albrecht nickte. Im Kern seines Wesens betrachtete er sich durchaus als konservativen Menschen – doch das waren exakt jene Strukturen, die ihn in Ohlstedt immer abgestoßen hatten.
    «Und diese … gegenseitige Kontrolle hat auch diesmal funktioniert?», erkundigte er sich.
    Rabeck drehte den Ordner zu ihnen um. Ein Protokoll, handschriftlich und nicht zu entziffern.
    «Sie waren zu viert», erklärte der niedersächsische Beamte. «Vermutlich männlich, denke ich mal. Jedenfalls trugen sie schwarze Anzüge, wie das üblich ist – und den Sarg natürlich. Sie sind von mehreren Passanten gesehen worden, doch war es dunkel, deshalb haben wir keine nähere Beschreibung. Offenbar hat niemand einen Anlass gesehen, sie aufzuhalten.»
    Albrecht hob die Augenbrauen. «Mitten in der Nacht?»
    «St. Magni ist nicht irgendein Friedhof», betonte Rabeck. «Sie haben ja selbst gesehen, was für Kaliber da beigesetzt sind. Wahrscheinlich sind die Leute davon ausgegangen, dass der Verstorbene Sonderwünsche hatte. Die Friedhofsordnung schreibt keine bestimmte Uhrzeit für eine Bestattung vor, solange der Termin entsprechend mit ihr abgestimmt wurde.»
    «Ich gehe davon aus, dass das nicht geschehen ist?»
    «Kein Stück.» Rabeck schüttelte den Kopf. «Die Schließvorrichtung an der Pforte ist mechanisch durchtrennt worden. Ist ein ziemlicher Klopper. Da wusste jemand, was er vorhatte.»
    Albrecht nickte. «Die Untersuchung des Leichnams?»
    Rabeck blätterte.
    «Edith Passon hat uns einen vorläufigen Bericht geschickt. Sie hat geringe Rückstände eines Benzodiazepins im Blut gefunden. Ihrer Ansicht nach dürfte es sich von vornherein um eine minder starke Dosis gehandelt haben.» Ein Schweißtropfen lief über die gerötete Stirn. «Gerade lange genug wirksam, dass das Opfer sich während des Transports ruhig verhielt.»
    Der letzte Gedanke war so deutlich, als hätte Albrechts Kollege ihn laut ausgesprochen:
    … aber rechtzeitig wieder aufwachte, um jedes Detail seines Todes bei vollem Bewusstsein mitzuerleben.
    Genau wie bei Stahmke, dachte Jörg Albrecht.
    «Das ist Ihr Fall», sagte Rabeck. «Und ich will Ihnen nicht von Braunschweig aus in den Kaffee spucken. Wenn Sie glauben, Sie schaffen das allein: Meinen Segen haben Sie, in Königslutter oder sonst wo. Halten Sie mich einfach auf dem Laufenden, und wenn Sie Hilfe brauchen, geben Sie mir Bescheid. So oder so.» Seine Augen gingen zwischen dem Hauptkommissar und der Psychologin hin und her. «Finden Sie die Kerle, bevor die ihr nächstes Opfer finden!»
    ***
    «Hannah?»
    Ich fuhr herum. Ein unbeschreibliches Gefühl in meinem lädierten Nacken.
    Nils Lehmann stand in der Tür.
    «Ist alles okay?», fragte er besorgt. «Ich dachte, ich hätte …»
    Er
hatte
auch. Doch nach der ersten Schocksekunde hatte ich die Lautsprecher des Rechners abgestellt. Mein Gesicht sah mir jedoch immer noch überlebensgroß entgegen und vollführte – stumm jetzt – die unglaublichsten Grimassen.
    So
siehst du beim Vögeln aus?
    Der Monitor stand so, dass Lehmann nichts davon sehen konnte.
    Ich hüstelte. «Falscher Hals.»
    «Ich hol dir einen Kaffee!»
    «Nein.» Hastig schüttelte ich den Kopf und schloss unauffällig das Videofenster. «Geht schon wieder. – War was

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