Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
lauschte. «Nein», murmelte sie. «Nein, ich habe keine Ahnung, aber ich rufe dich an, sobald sie …»
    Sie ließ den Hörer sinken und sah mich an, mit einem Gesichtsausdruck, aus dem Verwirrung sprach, aber auch noch etwas anderes. Unruhe. Eine Kälte, die tief von innen kam.
    «Das war Oliver», sagte sie leise. «Kerstins Mann. Er hat gefragt, ob wir irgendwas brauchen, Kerstin und ich, oder ob er sie …» Für einen Moment ließ ihre Stimme sie im Stich. Als sie zurückkam, war sie nicht mehr als ein heiseres Raspeln. «Ob er sie abholen soll. Sie wollte zu mir. Sie ist losgegangen, kurz nachdem sie bei mir angerufen hatte. Vor mehr als drei Stunden. Aber sie ist …»
    Ich konnte nicht mehr atmen.
    «Sie ist nicht angekommen», flüsterte ich.
    ***
    Du bist unter Feinden.
    Tunnelblick. Der Saal der Polizeipressekonferenz war bis auf den letzten Platz gefüllt, doch noch immer quetschten sich Medienvertreter durch die Flügeltüren. Kein natürliches Licht. Die Fenster befanden sich in Albrechts Rücken, unsichtbar für den Hauptkommissar. Der Saal summte in einer unangenehmen Frequenz wie ein gigantischer Wespenstock.
    Jörg Albrechts Blick glitt über die Gesichter in den vordersten Reihen. Hin und wieder zuckten erste Kamerablitze auf, doch noch hatte die Veranstaltung nicht begonnen. Die Hyänen nahmen noch kaum Notiz von ihm, sondern plauderten untereinander. In Reihe zwei verdrückte ein junger Schnösel hektisch eine Banane, während er darauf wartete, Details über den Tod Ole Hartungs zu erfahren, den man grausam verstümmelt und verblutet auf einem Gynäkologenstuhl gefunden hatte.
    Albrecht war nicht zum ersten Mal hier. Er wusste, wie die Technik funktionierte. Wie zufällig streifte seine Hand einen der Knöpfe vor dem Mikrophon.
    «Guten Appetit!»
    Wenn die Worte nicht dafür sorgten, dass dem Kerl die Banane im Hals stecken blieb, erledigte das die monströse Rückkopplung.
    Mit einem Seufzen lehnte Albrecht sich zurück. Die Augen der Polizeipräsidentin richteten sich auf ihn wie winzige bösartige Stecknadelköpfe.
    Du bist unter Feinden.
    Mit einer Ausnahme, dachte der Hauptkommissar. Er hatte Martin Euler mitgebracht. Zu seiner eigenen moralischen Unterstützung, vor allem aber, weil Euler die Gabe besaß, seine gerichtsmedizinischen Details in derart komplizierte Formulierungen zu verpacken, dass man am Ende vergessen hatte, wie der Satz eigentlich angefangen hatte. Warum der Meute noch einen Gefallen tun?
    Knacken und Pfeifen in den Lautsprechereinheiten. Irgendjemand machte die Anlage bereit.
    «Meine Damen und Herren …» Ein letzter, durchdringender Pfeifton, dann drang die Stimme von Isolde Lorentz’ Pressesprecher dumpf, aber deutlich bis in den letzten Winkel des Saals. «Ich begrüße Sie zu unserer Pressekonferenz mit Frau Dr. Lorentz und den ermittelnden Beamten. Ich übergebe das Wort an die Frau Präsidentin, danach sind die Ermittler an der Reihe. Am Ende werden Sie dann Gelegenheit zu Fragen haben.»
    Was nicht bedeutet, dass sie auch Antworten kriegen, dachte Albrecht. Unruhig wippte er mit dem Fuß. Er wollte hier raus, noch einmal mit Jacqueline sprechen. Lehmann hatte nichts Neues aus ihr rausbekommen, abgesehen davon, dass die etwa dreißigjährige maskierte Unbekannte ebenso gut eine zwanzig- oder vierzigjährige maskierte Unbekannte gewesen sein konnte. Wenn sie nicht ein Kerl war.
    Und selbstredend hatte die Person Handschuhe getragen.
    Hannah Friedrichs hatte sich dagegen noch nicht gemeldet, jedenfalls vor zwanzig Minuten noch nicht, als Albrecht beim Betreten des Saals sein Handy abgestellt hatte. Doch so oder so: Er wollte raus, wollte etwas für die Ermittlung und für Ole Hartung tun, anstatt sich hier den Hintern platt zu sitzen und der Journaille …
    «Hauptkommissar?», flötete Lorentz.
    Ruckartig zog er das Mikrophon zu sich heran.
    «Danke», murmelte er und griff sich das Blatt mit der Erklärung, die er mit der Polizeipräsidentin abgestimmt hatte. Sie verriet nichts, was die Presseleute nicht schon wussten. Genauer gesagt verriet sie weniger. Hartung hieß immer noch Ole H., und wenn die Aufnahmewagen tausend Mal das Wohnviertel zwischen Wellingsbütteler Landstraße und Ohlsdorfer Friedhof verstopften. Und über die Verdächtige – offiziell nach wie vor
‹wichtige Zeugin›
 – konnte er nichts mitteilen, weil es nichts gab, das sie mit Sicherheit wussten. Mit monotoner Stimme begann Albrecht vorzulesen.
    Als er zur Hälfte durch war,

Weitere Kostenlose Bücher