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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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möchte ich Ihnen die Runde kurz vorstellen.»
    Möllhaus arbeitete sich reihum vor, Name und persönlicher Forschungsschwerpunkt. Jonas Wolczyk hatte sich der düsteren Vergangenheit der Rechtspsychologie verschrieben, dem kriminalbiologischen Modell, nach dem man bereits aus dem körperlichen Erscheinungsbild einer Person den ‹geborenen Verbrecher› zu erkennen glaubte. Das Mädchen mit dem Pagenkopf, Maja Werden, beschäftigte sich mit Schwerstkriminellen, über die nach Verbüßung ihrer Strafe eine Sicherungsverwahrung verhängt worden war.
    Der Hauptkommissar musterte die junge Frau. Auch in der Rechtspsychologie musste es angenehmere Arbeitsfelder geben.
    Doch die Furchen der menschlichen Seele waren unergründlich. Bei Tätern wie bei ihren Analytikern.
    Niemand, der nicht eigene Abgründe hat, steigt freiwillig in solche Tiefen, dachte Jörg Albrecht.
    Kein Psychologe.
    Und ein Kriminalkommissar ganz gewiss nicht.
    «Sie haben sich bereits in die Causa einlesen können.» Der Professor sah in die Runde. Maja Werden las noch. «Bevor wir den Fall gemeinsam erörtern: Hat jemand von Ihnen noch Fragen an Hauptkommissar Albrecht?»
    Wolczyk hob die Hand. «Kommissar Albrecht, Sie haben erzählt, dass Sie Phantomskizzen der Maskenfrau wie auch des alten Mannes …»
    «Ganz normale Gesichter», brummte Albrecht. «Keine Verbrechervisagen.»
    «Hatten sie denn Ähnlichkeit?»
    «Zwei Augen, Nase, Mund. Wenn es dieselbe Person ist, gibt sie sich Mühe.»
    «Aufmerksamkeit ist selektiv», meldete sich ein bärtiger junger Mann ganz rechts am Tisch. Börstel oder Börnsen, Albrecht hatte den Namen nicht verstanden. «Unser Gehirn braucht nur Bruchteile von Sekunden, um ein Gesicht wiederzuerkennen. Doch was uns von einem Gesicht in Erinnerung bleibt, ist das, was es von durchschnittlichen Gesichtern unterscheidet: eine Narbe, eine Sonnenbrille, vielleicht auch ein Piercing, obwohl man darüber schneller hinwegsieht.»
    «Der Herr im Rollstuhl hatte keins. Die Frau trug eine Maske.»
    «Genau.» Börstel – oder Börnsen – nickte. «Deshalb erinnern sich die Zeugen an den Rollstuhl und die Maske. Der Rest bleibt verschwommen.»
    «Weitere Fragen?» Möllhaus.
    «Sie schildern den Täter als hochintelligent, Hauptkommissar.» Maja Werden sprach ihn direkt an. Sie hatte sich nicht gemeldet. «Wie kommen Sie darauf?»
    «Weil er offenbar hochintelligent ist», brummte Albrecht. «Er …»
    «Würden Sie einfach meine Frage beantworten?», bat Werden freundlich. «Ich möchte gerne meine eigenen Schlüsse ziehen. Hochintelligent: Was bringt Sie zu dieser Ansicht?» Graue Augen sahen ihn geradeheraus an.
    Jörg Albrecht mochte es nicht, wenn man ihn auf diese Weise ansah. Das gab ihm das Gefühl, auf der falschen Seite des Tisches zu sitzen.
    Des Vernehmungstisches.
    «Der Umstand, dass er bei dem ersten Opfer sowohl den Penis als auch den Hodensack mit klinischer Präzision entfernt hat, verrät fundierte medizinische Kenntnisse.» Die Worte
Penis
und
Hodensack
, besonders aber das
entfernt
betonte der Hauptkommissar eine Spur stärker, als er das normalerweise getan hatte. Ohne Erfolg. Das Mädchen blieb unbeeindruckt, blinzelte nicht mal. Albrecht hob die Schultern. «Hätten die meisten von uns nicht angenommen, dass die Entfernung des Hodensacks ausreicht, damit das Opfer verblutet?»
    «Richtig.» Maja Werden nickte. «Allerdings sind die meisten von uns vermutlich auch nicht in SM -Kreisen aktiv, was beim Täter der Fall zu sein scheint. Meines Wissens setzt man sich in dieser Szene mit medizinischen und anatomischen Fragen intensiv auseinander – aus gutem Grund. Die
spielerischen
Schnitte, wie Sie sie bezeichnen, waren doch sicherlich auch an eher harmlosen Stellen platziert, wie es in dieser Szene gängig ist?»
    Albrecht zögerte. Dann nickte er widerstrebend. «Davon gehe ich aus. Natürlich kenne ich mich persönlich in dieser Szene nicht so gut aus wie der Täter. Oder Sie.»
    Er widerstand dem Impuls, sich auf die Zunge zu beißen. Das hätte sie mitgekriegt.
    Das war keine Ruhmestat, Albrecht.
    «Frau Werden setzt sich mit dieser Thematik berufsbedingt auseinander», warf der Professor ein. Wahrnehmbar kühler als bisher.
    «Natürlich.» Albrecht nickte und machte eine Handbewegung, von der er hoffte, sie würde klarmachen, dass er den Treffer akzeptierte.
    «Das war Ihr einziger Hinweis?», erkundigte sich die junge Frau. «Darauf, dass der Täter hochintelligent sein muss?»
    «Nein.»

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