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Ich bin der Herr deiner Angst

Ich bin der Herr deiner Angst

Titel: Ich bin der Herr deiner Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan M. Rother
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«Im Moment ist er noch unterwegs. In dem ganzen Fall hat es eine Entwicklung gegeben, die er …» Ich schüttelte den Kopf, als ich Schmehlichs irritierten Gesichtsausdruck sah.
    Eine Entwicklung, die wichtiger war als eine neue Leiche?
    Aber das Telefonat, das ich vom Taxi aus mit unserem Herrn und Meister geführt hatte, war ein typisches Albrecht-Telefonat gewesen. Raunende Andeutungen, als ob
er
uns den nächsten Toten zu präsentieren hätte. Und die Anweisung, mich auf den Weg zur Alsterquelle zu machen.
Sie haben die Leitung!
    Der Sprung ins kalte Wasser, dachte ich.
    Oder, genauer, in den Sumpf.
    «Die eigentliche Quelle ist da drüben», erklärte Schmehlich mit einem Nicken über die Schulter, wobei er zugleich mit einer einladenden Handbewegung in die entgegengesetzte Richtung wies. Zumindest darüber war ich froh, denn
da drüben
waren mittlerweile anderthalb Dutzend Übertragungswagen aufgefahren. Offenbar wurde der Fall inzwischen so groß gehandelt, dass es nicht mehr ausreichte, einfach nur die Regionalteams herzuschicken. Selbst ich kannte ein paar der Visagen, die sich die Nasen an meinen Seitenfenstern platt gedrückt hatten. Aus den Hauptnachrichtensendungen.
    Nur eine Visage würde nie wieder dabei sein.
    «Die Hauptquelle ist vor ein paar Jahren eingefasst worden», berichtete der Kommissar. «Wunderschön aufgemauert, Brunnengitter, Grillplatz gleich nebenan. Tolles Ausflugsziel. Seitdem müssen alle zwei Tage die leeren Bierdosen eingesammelt werden. Doch der Rest ist …» Eine ausholende Handbewegung.
    Wir bewegten uns auf einem befestigten Damm. Rechts von uns sumpfige Wiesen, die nach dem Regen der letzten Wochen weitgehend unter Wasser standen, auf der linken Seite Wald.
    Allerdings nicht die Sorte, die zum Spazierengehen einlud. Ein Dschungel, dachte ich.
    Der einzige Unterschied zum Amazonas waren die Bäume. Nicht so hoch, nicht so wild. Weiden konnte ich noch identifizieren, vielleicht waren auch Erlen dabei, ich konnte mich aber täuschen. Zwischen den Stämmen wucherte graugrünes Gestrüpp, Farne, Schling- und Kletterpflanzen, und wo die erstickende Decke der Vegetation mal zehn Quadratzentimeter freigab, glitzerte Wasser: bräunlich, schlammig, ungesund. Schwärme von Mücken summten durchs Gestrüpp, dazwischen die Laute von Vögeln, die unter anderen Umständen das stimmungsvolle Naturerlebnis abgerundet hätten.
    Hier und heute wirkten sie wie alles an diesem Ort: gespenstisch.
    Zum ersten Mal seit drei oder vier Tagen ließ sich gerade fast verschüchtert die Sonne blicken, doch sie hatte keine Chance, an die Oberfläche des grundlosen Morasts zu dringen.
    «Unübersichtliche Gegend», murmelte Schmehlich. «Doch die Männer aus unserer Streife schwören Stein und Bein, dass sie alles abgesucht haben gestern Abend. – Da war noch keine Leiche da. Wobei … Absolute Sicherheit wird uns natürlich erst das gerichtsmedizinische Gutachten geben.»
    Hundert Meter vor uns sah ich Kollegen in den Uniformen der schleswig-holsteinischen Polizei, die hektisch etwas aus einem Transportfahrzeug luden, Bretter hin und her schleppten.
    «Da drüben steht der Mann, der sie gefunden hat.» Schmehlich nickte zu einem rüstigen Rentner in einer Wetterjacke, die genauso schlammgrün war wie alles um uns herum. Und ich sah auch den Hund, der die Leiche gewittert hatte, eine Mischung aus Spitz und Teckel mit maximal fünfzig Zentimeter Körperlänge.
    Das erklärte, warum er das morastige Gelände hatte betreten können. Jetzt begriff ich auch, was die Beamten taten: Planken. Ein Weg durch den sumpfigen Urwald.
    «Sie sind noch gar nicht an der Leiche?» Ich hob die Augenbrauen. «Woher wissen Sie dann überhaupt, wer …»
    «Sie können die Fotos sehen.» Schmehlich hob die Schultern. «Elektronischer Zoom, fünfzigfache Vergrößerung. Sie ist eindeutig tot. Tot, wie ein Mensch nur sein kann, sonst wären wir anders vorgegangen. Aber unter diesen Umständen …»
    Ich nickte. «Die Auffindungssituation.»
    «Exakt. Die Spurensicherung scharrt schon mit den Hufen. Außerdem …» Wir hatten jetzt einen Streifenwagen erreicht. Er parkte ein Stück entfernt vom Transporter und den Kollegen des Kommissars, die mit säuerlichen Mienen hin und her marschierten. Schmehlich öffnete die Beifahrertür. «Hier.»
    Er reichte mir einen der durchsichtigen Plastikbeutel, wie auch wir sie für Beweismittel benutzten.
    Auf den Inhalt musste ich nur einen kurzen Blick werfen: eine Handtasche,

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